Dark one 03 - Kuesst du noch oder beisst du schon- neu-ok
fragte, wie man nur auf die Idee kommen konnte, Vampire als Untote zu
bezeichnen.
Die Leute
haben eben völlig falsche Vorstellungen , flüsterte mir seine seidige Stimme
ins Bewusstsein. Aber warum hast du deine Freundin getötet?
Ich stieß
einen mentalen Seufzer aus, denn ich wusste, dass ich nicht darum herumkam, ihm
die ganze schlimme Geschichte zu erzählen. Ich streichelte seine Brust und
spürte ein Kribbeln in den Fingern, als ich über das Muster des Fluchs fuhr. „Ich
habe dir ja schon mehrfach gesagt, dass ich den Fluch nicht brechen kann, der
auf dir lastet. Nicht nur aus dem Grund, dass ich gar nicht richtig weiß, wie
das geht, sondern auch, weil meine Mitbewohnerin sterben musste, als ich es
einmal versucht habe, und ich selbst drei Monate im Krankenhaus gelegen habe,
nachdem mein Hirn durchgeschmort war.“
Adrians
Geist wurde eins mit meinem, als die Erinnerungen an jenen schrecklichen Abend
in mir aufstiegen. Bilder von Beth tanzten vor meinem geistigen Auge: wie sie
mich dazu drängte, den Fluch zu brechen, der auf einem Altartuch lag, das
angeblich einmal dem berüchtigten spanischen Inquisitor Tomas de Torquemada
gehört hatte.
„Komm schon,
Nellie“, hatte Beth mit einem leisen Kichern gesagt, als sie in jener Nacht die
Tür zu der Antiquitätenkammer des Universitäts-Museums aufgeschlossen hatte, wo
sie ihr Praktikum absolvierte. „Tante Li hat gesagt, der Fluch ist genau dein
Fall. Du musst ihn einfach brechen wie einen Bann.“
„Und ich
sage dir, was ich auch schon deiner Tante gesagt habe, Beth: Ich habe keine
Ahnung von Bannen und Flüchen. Das sind böhmische Dörfer für mich. Und nur,
weil sie mich für eine Bannmeisterin hält...“
„ Bannwirkerin heißt das, du Dussel“, fiel Beth mir liebenswürdig ins Wort und schaltete ihre
Taschenlampe ein, um zu einem großen Schrank am anderen Ende des Raums zu
eilen. „Und Tante Li kennt sich mit so etwas aus!“
„Sie mag
zwar der Star ihres chinesischen Hexenzirkels sein, aber das bedeutet noch
lange nicht, dass sie allwissend ist, Beth. Sie blieb bemerkenswert vage, als
sie mir erklären sollte, warum sie mich für fähig hält, einen Fluch zu brechen.
Und was die Banne angeht, davon hat sie mir nur ein paar gezeigt. Ich kann mich
nicht mal erinnern, wozu sie gut waren.“
Beth hatte
einen Ring mit zahllosen Schlüsseln dabei, der so groß war, dass er um mein
Handgelenk gepasst hätte, und suchte einen Schlüssel heraus, mit dem sie den
Schrank aufschloss. „Also, du bist ziemlich gut im Lösen von Knoten aller Art,
da wirst du ja wohl auch so einen Fluch knacken können, oder?“
Ich lachte
leise, als sie eine kleine Holzkiste aus dem Schrank holte, in der sich ein
verschmutztes, altes blaues Tuch befand. Beth schien nicht besonders erpicht
darauf zu sein, es anzufassen, denn sie drückte mir die Kiste gleich in die
Hand und bedeutete mir mit einer Geste, mich auf den Boden zu setzen. Ich fuhr
mit dem Finger über einen Riss in dem Stoff und stellte fest, dass die goldene
Stickerei, die das Tuch zierte, trotz ihres Alters bemerkenswert gut erhalten
war. „Das ist es also? Das berühmte verfluchte Altartuch?“
„Das hat Dr.
Avery gesagt. Was meinst du?“
Ich sah mir
das Tuch genauer an und versuchte mir in Erinnerung zu rufen, was ich bisher in
meinen Kursen zur europäischen Geschichte gelernt hatte. „Hmm... Es ist alt.“
Beth
verdrehte die Augen und setzte sich neben mich, während ich das Tuch aus der
Kiste nahm. „Ach was! Ich wollte eigentlich wissen, was du zu dem Fluch sagst.
Kannst du ihn brechen?“
„Nein. Ich
habe nichts von dem begriffen, was deine Tante über Flüche erzählt hat. Man
soll sie an irgendwelchen Mustern erkennen, aber das ist Unsinn! Ein Fluch kann
doch nicht wie ein Muster...“ Ich hielt inne, als ich merkte, dass meine Finger
wie von selbst verschlungene Linien auf das Altartuch zeichneten. Ich kniff die
Augen zusammen und entdeckte ein sonderbares Muster, das in das grobe Tuch
gewebt war. Es bestand aus ineinander verflochtenen, geschwungenen und
verschnörkelten Linien, die an die Pfade eines Irrgartens erinnerten. Ich hatte
Labyrinthe schon immer geliebt und war stolz auf meine Fähigkeit, selbst die
kompliziertesten Wege in einem Bruchteil der Zeit finden zu können, die andere
dafür brauchten. „Wow! Da war aber jemand sehr geschickt. Sieh dir das mal an!“
„Was denn?“
Beth beugte sich vor und betrachtete das Muster, das meine Finger auf dem
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