Dark one 06 - Ein Vampir kommt selten allein-neu-ok-08.12.11
entspannte ich mich ein wenig,
weil ich spürte, dass Mattias, obwohl er einen reichlich verwirrten Eindruck
machte, keine Bedrohung für mich darstellte. „Ist das Ihre Kirche?“
„Ja. Ich bringe Sie hinein.“
Ich zögerte und überlegte, wie ich ihm begreiflich machen
sollte, dass ich nicht diejenige war, für die er mich hielt.
„Kommen Sie nur“, sagte er, ergriff meine Hand und führte
mich die Treppe zum Eingang hoch. „Ich bin der Sakristan. Ich bin die Sonne.“
„Die Sonne?“, fragte ich verdutzt und nahm die Kirche argwöhnisch
in Augenschein, doch sie sah völlig normal aus.
„Ja, genau“, entgegnete er und zeigte nach oben. „Die Sonne
am Himmelszelt.“
„Oh, verstehe. Sie .. äh .. Sie denken, Sie sind die Sonne?“
„Ja“
Ich studierte den Mann, der mich in die Kirche führte, unauffällig
aus dem Augenwinkel. Er sah wirklich nicht verrückt aus, aber wenn er sich für
die Sonne hielt, war es vielleicht besser, einfach mitzuspielen, bis ich eine
Gelegenheit fand, mich davonzustehlen.
Das Innere der Kirche trug einigermaßen zur Beruhigung
meiner Nerven bei.
Es entsprach so ziemlich dem, was ich aufgrund meiner
Besuche anderer alter isländischer Kirchen erwartet hatte: Es gab einen kleinen
Vorraum, von dem aus es in das eigentliche Kirchenschiff ging. In der Mitte und
an den Seiten der Bänke führten schmale Gänge nach vorn zum Altar. Erst auf der
Hälfte des Mittelgangs merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Die Kirche war
zwar mit Kreuzen und anderen christlichen Symbolen geschmückt, doch diese waren
mit schwarzen Tüchern verhüllt, die mit silbernen Halbmonden bestickt waren.
„Oh, oh“, sagte ich leise und entzog Mattias meine Hand. War
ich etwa an irgendeine merkwürdige Sekte geraten? Gab es überhaupt merkwürdige
Sekten in Island? Ich hatte gedacht, die Isländer seien Heiden gewesen, bevor
sich das Christentum in Skandinavien ausgebreitet hatte. Ob es sich um einen
heidnischen Kult handelte? „Ich glaube, ich habe genug gesehen!“
„Mattias?“, rief in diesem Moment eine Frau, die hinter dem
Altar aus einer Tür kam. Sie war im mittleren Alter, hatte grau meliertes Haar
und beobachtete mich mit Argusaugen, als sie auf uns zugeeilt kam und dabei auf
Isländisch auf Mattias einredete.
„Kristjana, ich habe die Zorya mitgebracht“, unterbrach
Mattias sie. „Sie ist Engländerin.“
„Amerikanerin, und ich heiße auch nicht Zorya. Mein Name ist
Pia, und es tut mir furchtbar leid, aber ich denke, Mattias hat mich mit
jemandem verwechselt“, erklärte ich der Frau. Sie sah völlig normal und geistig
gesund aus, regelrecht harmlos und irgendwie großmütterlich - bis auf ihre
dunklen Augen.
Sie musterte mich eine Weile mit ernstem Blick, bevor sie
Mattias eine Frage stellte.
„Ich bin mir sicher“, entgegnete er. „Sie trägt den Stein.“
„Sie meinen das hier?“, fragte ich und hielt das Lesezeichen
hoch.
Kristjana machte große Augen, dann nickte sie. „Willkommen
in unserem Haus, Zorya!“
„Ah, jetzt dämmert es mir“, sagte ich und ließ den
schimmernden Stein an dem Seidenband hin und her schwingen. „Es liegt daran,
nicht wahr? Das ist der Grund für das Missverständnis. Dann freut es mich,
Ihnen sagen zu können, dass dieser Stein mir nicht gehört.“
„Nein, natürlich nicht. Er gehört niemandem, aber Sie sind
jetzt seine Hüterin, und Sie müssen gut auf ihn aufpassen. Es wartet sehr viel
Arbeit auf Sie“, entgegnete Kristjana steif und wies auf die Tür hinter dem
Altar. „Kommen Sie bitte mit, damit wir schnell die erste Zeremonie vorbereiten
können. Wir hatten Sie schon früher erwartet.“
Ich sah mich unauffällig um und stellte erleichtert fest,
dass die Eingangstür noch halb offen stand. In der Hoffnung, dass man mir meine
Absicht nicht ansah, trat ich ein paar Schritte zurück und breitete die Hände
aus. „Das ist wirklich eine wunderschöne Kirche. Besonders gefallen mir die
kleinen Monde überall, sehr hübsch! Ist das ein Symbol Ihrer Gemeinschaft?“
Mattias runzelte die Stirn, und Kristjana musterte mich mit
starrer Miene. Ich hoffte, die beiden merkten nicht, wie ich mich mit winzigen
Schritten rückwärts auf den Ausgang zubewegte.
„Wir sind zwar Kinder des Mondes, aber wir huldigen ihm nicht“,
sagte Kristjana. „Wir haben das Licht in uns, und wir tragen es in die Welt, um
sie zu reinigen.“
Ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen. Ich hatte es
tatsächlich geschafft, mit einer Person verwechselt
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