Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
machte –, und Farbenmischen war wesentlich einladender als Stallausmisten. Krissi gehörte zu der Gruppe, die er betreute, aber sie schien sich nicht für das Malen zu interessieren. Sie schob die Farbe einfach mit dem Pinsel so lange auf dem Papier herum, bis ihr ganzes Blatt kackbraun war.
»Weißt du, wie das aussieht?«, hatte er sie gefragt.
»Ja, wie Kacke«, antwortete sie und fing an zu lachen.
Für ein Mädchen in ihrem Alter war sie ganz schön kokett. Man merkte, dass sie von Geburt an süß gewesen war und jetzt einfach davon ausging, dass die Leute sie mochten. Tja, Ben mochte sie jedenfalls. Sie unterhielten sich mit langen Schweigeintervallen.
Wo wohnst du denn
?
Schütt, klatsch, wisch. Pinsel ins Wasser tauchen und noch mal von vorn.
In der Nähe von Salina
.
Und du gehst hier zur Schule, so weit weg?
Meine Schule ist noch nicht fertig. Nächstes Jahr muss ich nicht mehr so weit fahren.
Aber jetzt ist es eine echt lange Fahrt.
Der Sitz quietschte, die Schultern sackten herunter.
Japp. Ich hasse es. Nach der Schule muss ich stundenlang auf meinen Dad warten, bis er mich abholen kommt.
Na ja, Kunst ist doch gut.
Wahrscheinlich schon. Aber Ballett mag ich lieber, das mache ich am Wochenende.
Ballett am Wochenende – das sprach Bände. Vermutlich gehörte sie zu den Kids, die einen Pool im Garten hatten, und wenn keinen Pool, dann wenigstens ein Trampolin. Er überlegte, ob er ihr erzählen sollte, dass es bei ihm zu Hause Kühe gab – vielleicht mochte sie Tiere –, aber er spürte, dass er sich lieber etwas zurückhalten sollte. Sie war noch ein Kind, da musste doch eigentlich sie versuchen, ihn zu beeindrucken, nicht umgekehrt.
Den Rest des Monats half er freiwillig, die Kunstkurse zu beaufsichtigen, neckte Krissi wegen ihrer mangelhaften Malkünste
(was soll das denn sein, eine Schildkröte?)
und ließ sich von ihr vom Ballett erzählen
(nein, du großer Depp, das ist der
BMW von meinem Vater!).
Eines Tages schlich sie sich, mutig wie sie war, zur Highschool-Seite des Gebäudes hinüber und wartete in Jeans mit Paillettenschmetterlingen auf der Tasche und einem rosa Shirt, das dort, wo die Brüste sein sollten, bonbongroße Beulen aufwies, vor Bens Spind. Niemand belästigte sie, außer einem mütterlichen Mädchen, das versuchte, sie zur richtigen Seite der Schule zurückzulotsen.
»Ist schon okay«, erklärte Krissi dem Mädchen, und wandte sich an Ben. »Ich wollte dir nur das hier geben.«
Sie überreichte ihm einen in Dreiecksform gefalteten Zettel, auf dem vorn mit dicken Bubble-Buchstaben sein Name stand. Dann trabte sie davon, halb so groß wie die Kids in dieser Umgebung, was ihr aber nicht aufzufallen schien.
Ich war mal im Kunstkurs, und traf einen Jungen,
der hieß Ben.
Sein Herz wollt ich gewinnen, ohne Aber, ohne Wenn.
Er hat rote Haare und sehr schöne Haut.
Kannst du mir sagen, ob er sich traut?
Darunter stand noch
Später mehr
. Er hatte gesehen, wie Freunde von Freunden solche Briefe bekamen, aber er selbst hatte noch nie einen erhalten. Letzten Februar hatte er drei Valentinskarten gekriegt, eine von der Lehrerin – die jedem eine schicken musste – und eine von einem netten Mädchen, die aus Nettigkeit allen schrieb, und eine von der hysterischen Dicken, die immer den Tränen nahe war.
Jetzt schrieb Diondra ihm manchmal, aber die Briefe waren alles andere als niedlich, sondern schmutzig oder wütend, Zeug, das sie meistens beim Nachsitzen verfasste. Kein Mädchen hatte jemals ein Gedicht für ihn verfasst, und dass Krissi keine Ahnung zu haben schien, dass er viel zu alt war für solches Zeug, machte es beinahe noch süßer. Es war ein Gedicht von einem Mädchen, das nichts von Sex oder Knutschen wusste.
Am nächsten Tag wartete sie nach dem Kunstkurs auf ihn und fragte, ob er sich mit ihr eine Weile auf die Treppe setzen würde, und er antwortete okay, aber nur kurz. Eine ganze Stunde kauerten sie dann auf der halbdunklen Treppe und alberten herum. Einmal hatte sie seinen Arm gepackt, und er wusste, er hätte ihr sagen müssen, dass sie das lieber nicht machen sollte, aber es hatte sich so wunderbar angefühlt. Kein bisschen schräg, sondern einfach nur schön und ganz anders als Diondras sexbesessenes Kratzen und Schreien oder das wilde Toben seiner Schwestern. Süß und sanft, wie es bei einem Mädchen sein sollte. Sie trug Lipgloss, der nach Kaugummi roch, und da Ben nie genug Geld für Kaugummi hatte – wie bescheuert war das
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