Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
kickte das Putzwägelchen weg.
Von der Vorschule bis zur achten Klasse hatte Ben die Kinnakee Grundschule besucht; er hatte mehr Verbindung zu dieser Seite des Gebäudes als zur Highschool, wo er jetzt stand, die Müllreste seiner Mitschüler in den Händen.
Er dachte daran, die Tür zu öffnen und seiner alten Schule hallo zu sagen. Als er hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, entspannte er sich etwas. Hier waren die Wände zitronengelb, und vor jedem Klassenzimmer gab es viel mehr Dekoration. Kinnakee war so klein, dass jeder Jahrgang nur eine Klasse hatte. In der Highschool war es anders, sie war doppelt so groß, weil auch andere Städte ihre Teenager hierher schickten. Aber die Grundschule war wunderbar gemütlich. An einer Wand entdeckte er eine Smiley-Sonne aus Filz. Daneben stand »Michelle D., 10 Jahre«. Und eine Zeichnung von einer Katze mit einer Weste und Schnallenschuhen, die grinste und einer Maus, die einen Geburtstagskuchen in den Pfoten hielt, ein Geschenk überreichte. Libby D., 1 . Klasse. Von Debby entdeckte er nichts, und wenn er richtig darüber nachdachte, war sie auch kein Kind, das etwas zum An-die-Wand-Hängen produzierte.
Der Korridor war gesäumt von gelben Behältern, in denen die Schüler persönliche Dinge verstauen konnten, und auf jeder Plastikschachtel pappte ein Stück Klebeband mit dem Namen des betreffenden Kindes. Ben schaute in Libbys Box und fand ein angelutschtes Pfefferminzbonbon und eine Büroklammer. In der von Debby lag eine braune Lunchtüte, die nach Mortadella stank, und in der von Michelle waren ein paar ausgetrocknete Marker. Nur zum Spaß schaute Ben sich noch ein paar andere Boxen an, und ihm wurde schlagartig klar, wie viel mehr diese Kinder besaßen. Packungen mit vierundsechzig Buntstiften, batteriebetriebene Spielzeugautos und Puppen, dicke Stapel Bastelpapier, Schlüsselanhänger, Stickeralben und Tüten mit Süßigkeiten. Traurig. Das passiert, wenn man mehr Kinder in die Welt setzt, als man sich leisten kann, dachte er. Das sagte Diondra immer, wenn er erwähnte, dass bei ihm zu Hause Geldmangel herrschte.
Tja, dann hätte deine Mom eben nicht so viele Babys haben sollen
. Diondra war ein Einzelkind.
Auf dem Rückweg zur Highschool-Seite konnte er dem Drang nicht widerstehen, sich die Boxen der Fünftklässler anzuschauen. Da war sie, die kleine Krissi, die für ihn schwärmte. In leuchtend grünen Buchstaben hatte sie ihren Namen auf das Klebeband geschrieben und daneben noch ein Gänseblümchen gemalt. Süß. Überhaupt war das Mädchen die Verkörperung alles Niedlichen, wie ein Kind aus der Frühstücksflockenwerbung – blonde Haare, blaue Augen, wohlbehütet. Anders als bei seinen Schwestern passten ihr die Jeans, die sie trug, sie waren sauber und gebügelt, ihre Shirts waren farblich mit den Socken und Haarspangen und so weiter abgestimmt. Sie hatte keinen Mundgeruch wie Debby, und ihre Hände waren nicht mit Kratzern übersät wie bei Libby. Wie bei ihnen allen. Krissis Fingernägel waren leuchtend rosa, und man sah, dass ihre Mom sie ihr lackierte. Ben hätte wetten können, dass ihre Box Strawberry-Shortcake-Püppchen und andere wohlriechende Spielsachen enthielt.
Sogar ihr Name war perfekt – »Krissi Cates«, das klang einfach cool. Mit ihren langen blonden Haaren würde sie in der Highschool bestimmt Cheerleader werden und spätestens dann vergessen, dass sie als kleines Mädchen für einen älteren Jungen namens Ben geschwärmt hatte. Wie alt würde er dann sein? Zwanzig? Vielleicht würde er dann mit Diondra zu einem Spiel aus Wichita rüberkommen, und Krissi würde mitten im Sprung aufschauen und ihn sehen, sie würde lächeln, dass ihre makellosen weißen Zähne blitzten, und ihm aufgeregt zuwinken. Dann würde Diondra ihr wieherndes Eselslachen ausstoßen und sagen: »Reicht es nicht, dass die Hälfte der Frauen von Wichita hinter dir her sind, musst du denn auch noch die armen kleinen Highschool-Mädchen verrückt machen?«
Womöglich hätte Ben Krissi nie getroffen, aber eines Tages zu Beginn des Schuljahrs engagierte ihn Mrs Nagel, die Ben immer gemocht hatte, als Aufsicht in dem Kunstkurs, der nach der regulären Schulzeit stattfand. Nur für einen Tag, weil ihr üblicher Helfer sie versetzt hatte. Eigentlich hätte Ben nach Hause fahren müssen, aber er wusste, dass seine Mom nicht wütend werden konnte, wenn er den Kleinen half – sie war ja immer hinter ihm her, dass er zu Hause etwas mit den Mädchen
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