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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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dazu führen, dass man freundlicher ist, wenn man zurückruft. Damit sollte ruhig Lyle sich rumschlagen.
    Bens Gefängnis wurde 1997 , nachdem wieder mal eine ganze Reihe von Farmen zusammengelegt worden waren, direkt am Rand von Kinnakee erbaut. Kinnakee liegt mitten in Kansas, nicht allzu weit von der Grenze zu Nebraska entfernt, und galt früher einmal als geographisches Zentrum der achtundvierzig zusammenhängenden Vereinigten Staaten. Das Herz Amerikas. In den Achtzigern, als wir alle noch patriotisch gesinnt waren, wurde darum viel Wind gemacht. Auch andere Städte in Kansas beanspruchten den Titel, aber die Bewohner von Kinnakee ignorierten sie einfach, hartnäckig und stolz. Es war das einzige Interessante an der Stadt. Die örtliche Handelskammer verkaufte Poster und T-Shirts mit dem Schriftzug der Stadt im Innern eines Herzens. Jedes Jahr erstand Diane für uns Mädels ein neues Shirt, teils, weil wir alles Herzförmige mochten, teils, weil Kinnakee ein altes indianisches Wort ist, das Kleine Zauberfrau bedeutet. Diane versuchte immer, uns zu Feministinnen zu erziehen. Meine Mom machte immer Witze und meinte, sie würde sich nicht besonders oft rasieren, und das wäre doch schon ein guter Anfang. Zwar kann ich mich nicht erinnern, dass sie es gesagt hat, aber ich weiß noch, wie Diane mir die Geschichte erzählte, während sie breit und wütend – nach den Morden ihr Dauerzustand – in ihrem Trailer eine Zigarette rauchte und Eistee aus einem Plastikbecher trank, auf dem in dicken Blockbuchstaben ihr Name zu lesen war.
    Wie sich herausstellte, hatten wir uns geirrt. Das offizielle Zentrum der Vereinigten Staaten ist Lebanon, ebenfalls in Kansas. Kinnakee war einer Fehlinformation aufgesessen.
     
    Eigentlich hatte ich gedacht, es würde Monate dauern, um eine Besuchserlaubnis für Ben zu bekommen, aber anscheinend behandelte die Kinnakee Kansas State Penitentiary die Anträge extrem zügig. »Wir sind überzeugt, dass die Interaktion mit der Familie und den Freunden positive Auswirkungen auf die Insassen hat und ihnen hilft, soziale Kompetenz und Kontaktfähigkeit aufrechtzuerhalten.« Ich musste ein paar Formulare ausfüllen, beschäftigte mich ein paar Tage mit Lyles Ordner und las das Transkript von Bens Prozess, wozu ich bisher nie den Mut gefunden hatte.
    Dabei geriet ich ordentlich ins Schwitzen. Meine Aussage war ein wildes Hin und Her verwirrender Kindererinnerungen: »
Ich glaube, Ben hat eine Hexe ins Haus geholt, und die hat uns getötet«
, sagte ich, worauf der Ankläger erwiderte: »
Hmmm, dann lass uns jetzt mal darüber sprechen, was wirklich passiert ist«
und einstudiert wirkender Dialoge: »
Ich stand im Zimmer meiner Mutter und hab gesehen, wie Ben meine Mom mit einem Gewehr bedroht hat.«
Was Bens Verteidiger anging, so hätte er mich genauso gut in Seidenpapier wickeln und auf ein Federbett setzen können, so behutsam ging er mit mir um.
»Könnte es sein, dass du ein bisschen durcheinander bist und nicht mehr so genau weißt, was du gesehen hast, Libby? Erzählst du uns das vielleicht, weil du denkst, das wollen wir hören?«
Worauf ich antwortete:
»Nein, ja, nein.«
Am Schluss leitete ich meine Antworten immer mit »
vermutlich«
ein. Das war meine Art kundzutun, dass ich nicht mehr konnte.
    Bens Anwalt hatte stundenlang über den Blutfleck auf Michelles Bettdecke und den geheimnisvollen blutigen Abdruck eines eleganten Männerschuhs geredet, aber keine überzeugende Gegentheorie zustande gebracht. Vielleicht war noch jemand im Haus gewesen, aber es gab vor dem Haus keine Spuren, weder von Autoreifen noch von Schuhen, die das bewiesen. Am Morgen des 3 . Januar stieg die Temperatur um fast zehn Grad, der Schnee schmolz, und im frühlingshaften Schlamm war nichts mehr zu sehen.
    Außer meiner Aussage sprachen noch andere Faktoren gegen Ben: Die Kratzer auf seinem Gesicht, die er nicht erklären konnte und die eindeutig von Fingernägeln stammten, die Tatsache, dass er anfangs behauptete, ein Mann mit buschigen Haaren wäre der Mörder gewesen – eine Geschichte, die er bald durch die Beteuerung »ich war die ganze Nacht weg und habe keine Ahnung« ersetzte –, ein dickes Bündel von Michelles Haaren, das in seinem Zimmer gefunden wurde – und sein verrücktes Benehmen am Tag vor dem Mord. Er hatte sich die Haare schwarz gefärbt, was alle höchst verdächtig fanden. Er war dabei erwischt worden, wie er in der Schule »rumgeschlichen« war, was mehrere Lehrer bezeugten. Sie

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