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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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wiederkommen. Kein Wort von Fiona. Es war ihm wohl peinlich, dass ihn ein kleines Mädchen schachmatt gesetzt hatte. Natürlich begriff Fiona später, wie dumm ihre Aktion gewesen war und wie gefährlich es hätte werden können, aber sie hatte eben keine Angst gehabt und keine Sekunde über mögliche Konsequenzen nachgedacht.
    So wurden sie und Evi Freundinnen.
    Evi störte es nicht, dass Fiona eisern schwieg. Und sie fragte auch nie, warum, anders als der Heimpsychologe, der sie regelmäßig aufforderte, ihre Gedanken wenigstens aufzumalen oder mit Stoffpuppen nachzuspielen.
    Anfangs war es kaum aufgefallen, dass sie nichts mehr sagte. Fiona hatte damals, als sie das blaue Badezimmer betrat, die nackten Füße auf den Fliesen, die große Plüschraupe im Arm, aufgehört zu sprechen. Niemand fand es merkwürdig, die Polizistin nicht, die sie in eine Decke wickelte, die Sozialarbeiterin in der Notunterkunft nicht, die ihr einen heißen Kakao kochte und einen weißen Stoffhasen schenkte, und der Arzt nicht, der sie untersuchte. Erst am nächsten Tag, als die Seelsorgerin von der Kirche kam, fingen sie an, sich zu wundern, und Fiona hörte sie Dinge wie »Trauma« oder »Schock« sagen. Dabei war das Quatsch, sie stand nicht unter Schock, sie konnte sich an alles genau erinnern. Die Sache war viel einfacher: Als sie ihre Eltern in der Wanne verbluten sah, gab es einfach nichts mehr zu sagen. Hätte sie denn übers Wetter reden sollen, nachdem ihr so etwas passiert war? Hätte irgendein Satz oder ein Gebet das wiedergutgemacht oder geändert? Zwischen ihr und Gott war alles gesagt. Sie waren fertig miteinander.
    Außer Evi hatte kaum jemand Zugang zu Fiona. Nur Tante Lorina gab es noch. Lorina hatte auch dafür gesorgt, dass Evis Vater das Sorgerecht verlor und seine Tochter im Heim untergebracht wurde. Sie hatte das verwahrloste und verängstigte Kind erst zu sich genommen und dann, weil der Vater immer wieder Besitzansprüche anmeldete, den Behörden übergeben. Im Heim ging es ihr eigentlich gut, und Fiona hatte nie verstanden, wieso Evi mit achtzehn Jahren zu ihrem Vater zurückgekehrt war. Und mehr noch: wieso sie sein krudes, menschenverachtendes Weltbild zunehmend akzeptiert hatte und Teil seiner Sekte geworden war – seine »Glaubensgemahlin«, oder wie das hieß.
    Jetzt war sie tot.
    Fiona suchte Tassen in Jans Küchenschränken und goss einen Tee auf. Sie konnte das Unvermeidliche nicht mehr herauszögern, trug das Tablett ins Wohnzimmer, gab dem zusammengesunkenen Jan eine Tasse in die kalten Hände, setzte sich neben ihn und nickte ihm zu. »Möchtest du es mir erzählen?«
    * * *
    Jan war nach den Anrufen bei Fiona aus der Kneipe nach Hause gegangen und dort auf der Couch eingeschlafen. Als er aufgewacht war, hatte er beschlossen, doch noch zu Evi zu fahren, um mit ihr zu sprechen und von ihr selbst zu hören, dass ihre Beziehung vorbei war und sie ihn nicht mehr sehen wollte.
    »Du weißt ja, wir haben uns oft draußen getroffen. Sie war dann mit dem Hund Gassi, und wir konnten endlich mal allein sein.«
    Er schluchzte wieder. Fiona streichelte seinen Arm. Sie wusste, wie besitzergreifend Evis Vater war. Auch als sie selbst noch zu Besuch kommen durfte, setzte sich der Vater meist dazu und brach das Treffen bald ab, weil Evi beten musste oder in der Küche gebraucht wurde, um Prospekte zu falten oder die nächste Demonstration gegen einen Schwulenclub oder eine gynäkologische Praxis vorzubereiten. Später hatte sie Evi nur noch zuwinken können, wenn sie Tante Lorina besuchte und sie zufällig im Haus sah, und in der letzten Zeit hatte sich Evi selbst dann umgedreht. Fiona fühlte, wie außer der Beklemmung und dem Entsetzen über Evis Tod Wut in ihr hochstieg, auf den Prediger und auch auf Evi, die immerhin eine erwachsene Frau war und offenbar einverstanden mit seiner Lebensführung. Fiona drückte sachte Jans Arm, damit er weiter berichtete.
    Es hatte schon gedämmert, und er war durch die lose Latte aufs Grundstück gekommen. Er hatte Kastanien an ihr Fenster geworfen, aber sie war nicht wie sonst aufgestanden und hatte hinuntergesehen. Alles war ganz still, und Jan, noch leicht benebelt vom Restalkohol und vom Schlafmangel, beschloss, dass er es sich nicht länger bieten lassen würde, so ignoriert zu werden. Bisher hatte er sich immer an das Hausverbot des Predigers gehalten, aber jetzt wollte er endlich mit seiner Freundin reden und sie möglichst überzeugen, mit ihm zu gehen und ihren Vater ein

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