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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Wirklich nicht?
    HERZDAME: Klopf klopf klopf. Blondie hat gewonnen.
    Der Sklave sah an seinen Beinen im glänzenden schwarzen Latex hinab. Seine Füße waren nackt, die Zehen spielten mit dem flauschigen Teppich. Die Herrin hatte Eingriffe ins Forum nur im Notfall erlaubt, wenn etwas Administratives zu regeln oder Moderation gefragt war. »Das ist kein Chatroom für gelangweilte Sklaven«, hatte sie gesagt, »wenn du tratschen willst, stell dich in eine Ecke und sprich mit der Wand.«
    Seine Finger schwebten über der Tastatur. Er hob die Fersen an und wölbte den Spann vor. Ein Ziehen breitete sich in der Wölbung der Fußsohle aus und stach bis in die Wade. Dann begann er zu schreiben.
    QUÄLIUS: Wie kann man denn auf High Heels mit vierzehneinhalb Zentimetern laufen? Oder meint ihr Leckschuhe? So was wie hier zum Beispiel?
    Er verlinkte ein Foto von einem Fuß, eingeschnürt in einen Ballettschuh mit einem so hohen und nageldünnen Absatz, dass man darin nur sitzen konnte und beim Versuch, darauf zu stehen, direkt vornüberfallen würde.
    Pause.
    BLONDIE: Alles eine Frage der Übung. Der Schmerz gehört dazu.
    QUÄLIUS: Like!

 
    7 PÜPPI
    Auf der Straße war von Püppi nichts mehr zu sehen. Mit dem Kuchen in der Hand sprintete Fiona los und versuchte, den Demonstranten und Schaulustigen auszuweichen. Eine Gruppe Frauen hatte ihre Oberteile ausgezogen und hielt Schilder hoch, auf denen »Nicht Sex ist pervers, sondern ihr« und »Frauen sind keine Untertanen« stand. Zwei Männer hielten eine große Regenbohnenfahne zwischen sich, unter der Fiona hindurchtauchte. Sie wollte Püppi keinesfalls verlieren, er würde wissen, was heute Nacht passierte und wo das Labyrinth stattfand, und sie konnte es kaum noch erwarten. Die ganze Arbeit der letzten Tage, ihr Job in der Praxis und das Herumwerken im Garten hatten ihre Unruhe nicht gedämpft, sie stand so unter Strom, dass sie sich völlig elektrisiert und bis zum Zerreißen aufgeladen fühlte. Die Bilder in ihrem Kopf blieben hartnäckig haften, Evi, die sich von ihr wegdrehte, Jans verzerrtes Gesicht, Räume voller Blut, blaue, kalte Fliesen unter ihren Füßen, sie wollte sich fallen lassen und vergessen, wer sie war, wo sie herkam und was sie gesehen hatte. Das Gespräch mit Tante Lorina hatte sie erschöpft und gleichzeitig wütend gemacht, was wiederum Schuldgefühle erzeugte. Als wär ich ihre Tochter, dachte Fiona genervt und nahm sich vor, mehr Distanz zu Tante Lorina zu entwickeln. Die lebte ihr Leben einfach weiter, backte und stickte, schoss zwischendurch heimlich ein paar Fotos und backte dann wieder. Sie rief sich innerlich zur Räson, denn sie wusste, dass Tante Lorina schwer krank war und nicht mehr lange leben würde und deshalb alles Recht der Welt hatte, ihre restliche Zeit so zu verbringen, wie sie es wollte, aber sie, Fiona, konnte nicht einfach so weitermachen. Sie würde bald platzen, wenn sie keine Möglichkeit fand, sich abzureagieren.
    Die Sektenmitglieder sangen »Sei des Schoßes Keuschheit meine Zier«, woraufhin die barbusigen Frauen anfingen, sie mit Trillerpfeifen zu unterbrechen. Einige Leute klatschten Beifall. Andere banden Stofftiere am Gittertor fest, wo sich schon Sträuße stapelten wie auf einem frischen Grab. Ein Mann mit einer großen Kamera versperrte Fiona den Weg, sie rempelte ihn im Vorbeilaufen an, und er schrie ihr »Aggro-Gör« hinterher. Aus einem Kastenwagen lud ein TV-Team seine Geräte aus, und eine blonde Moderatorin, die schon ein Mikrofon in der Hand hielt, zog sich im Seitenspiegel noch einmal die Lippen nach.
    Endlich erreichte sie die Nebenstraße, in der Püppi verschwunden war, aber auch hier standen und gingen so viele Leute herum, dass Fiona nur schwer vorwärtskam. Nach und nach änderte sich die Menge. Statt Demonstranten begegneten ihr jetzt Männer mit bemalten Gesichtern, die ihre schlafenden Kinder trugen, Frauen, die kandierte Trauben von Stäben klaubten, und junge Mädchen in knappen, pinken Kostümen, die als Flamingos verkleidet Süßigkeiten aus Bauchläden verkauften. Von den Gesängen der Sekte war nichts mehr zu hören, ein Gemisch aus Drehorgelmusik und schepperndem Pop, Gelächter und Flipperautomatensound dröhnte zu Fiona herüber. Sie zuckte zusammen, als neben ihr eine Salve Gewehrschüsse platzte, in einer Schießbude zielten junge Männer auf kleine Spiegel, die hochklappten. Einer erwischte einen Spiegel, das Glas zersprang, seine Freunde johlten, und der Budenbesitzer reichte ihm

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