Dark Room
Hund zu ihr aufsah. »Und du wirst mit niemandem über diese Abmachung sprechen. Schick mir eine SMS , wenn du dich entschieden hast.«
Er zerrte an der Leine, sie sagte zu dem ungeduldigen Sklaven: »Hör auf, hör auf, nun raus, raus, raus!«, und führte ihn auf allen vieren hinter einen weiteren Spiegel. Als Fiona sich wieder angezogen hatte und ihr hinterherlief, waren beide verschwunden.
* * *
Fiona stand in der Straße hinter dem Sektenhaus neben Püppis Kastenwagen. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und zuppelte an ihrem T-Shirt. Der Lacksklave war selbst bei diesem heißen Wetter in einen Ganzkörperanzug aus Latex gegossen, der wie ein echter Zweireiher mit Hemd und Krawatte bemalt war und nur Hände und Kopf frei ließ. Er trug eine riesige, verspiegelte Sonnenbrille und einen buschigen schwarzen Bart, sodass von seinem Gesicht nichts zu erkennen war.
Er senkte den Kopf und wisperte: »Ich bitte untertänig darum, dich ruhiger zu verhalten und stillzustehen, du machst die Herrin nervös.«
Als würde sie einen Hund dressieren, hielt Fiona ihm die flache Hand entgegen und zischte: »Kusch!« Erstaunlicherweise funktionierte es, und Quälius setzte sich auf den Kantstein.
Fiona biss auf ihrer Unterlippe herum. Das gefiel ihr alles nicht. Sie war es gewohnt, Dinge zu verschweigen, aber im Lügen hatte sie keine Übung. Und dann ausgerechnet Lorina etwas vorzumachen, die sie so gut kannte. Sie wusste einfach nicht, ob sie das hinkriegen würde. Und auch nicht, ob es richtig war. Die Grinsekatze hatte nichts erklärt, sondern ihr nur den Preis genannt. Tante Lorina trug das kitschige Abendtäschchen zu allen Tages- und Nachtzeiten mit sich herum, egal ob sie fernsah, backte oder nur im Sessel saß und den Sauerstoff aus der großen Flasche einatmete. Was wollte die Grinsekatze mit diesem Täschchen? Und falls Püppi neulich vor dem Sektenhaus für sie spioniert hatte – wieso war er heute nicht hier?
Das Beifahrerfenster des Kastenwagens wurde heruntergekurbelt. Fiona beugte sich vor. Die Grinsekatze trug eine große Sonnenbrille und ein buntes Seidentuch um den Kopf, als würde sie in einem Agententhriller der Sechzigerjahre mitspielen. Neben ihr, auf dem mittleren Platz, saß ein grinsender Mann, klein, rund und weiß wie eine Made. Vorgestellt wurden Fiona und er einander nicht.
»Ist es sicher, dass der Arzt heute kommt?«
Fiona nickte und sah auf die Uhr. »Gleich vier. Er ist meistens sehr pünktlich.«
Die Grinsekatze nickte zu Lorinas Haus. »Dann los!«
Fiona zögerte, überlegte noch einmal, ob es nur eine belanglose Gefälligkeit war, die sie erledigen sollte, oder eine Art Verrat. Aber die Grinsekatze hatte ihr geschworen, dass sie die Tasche direkt wieder zurückbringen dürfte und dass nichts fehlen würde. Lorina würde es also nie erfahren. Das gab den Ausschlag.
Fiona lief so schnell, als würde sie verfolgt, zwang sich, an der Ecke langsamer zu gehen, weil Lorina am Fenster stehen und sie kommen sehen könnte, aber als sie hinaufsah, waren die Vorhänge zugezogen, und nichts rührte sich. Auch im Treppenhaus begegnete ihr niemand.
In der Wohnung war es dämmrig und stickig, obwohl die Fenster einen Spaltbreit offen standen. Lorina saß in ihren bunten Kimono gehüllt schwer atmend in einem Sessel, das metallene Täschchen hatte sie sich quer über den Körper gehängt. Bei jedem Atemzug rasselte und pfiff sie, und ihre Lippen waren ganz blau, als sie die Sauerstoffmaske kurz absetzte, um Fiona zu begrüßen.
»Liebchen, du siehst verhungert aus. Nimm dir einen Rübli-Muffin.«
Fiona griff direkt zu, fragte sich aber im selben Moment, ob das nicht auffällig war, denn sie machte sich wenig aus Kuchen und nahm meist erst dann ein Stück, wenn Lorina drängelte. Wenigstens konnte sie mit vollem Mund nicht sprechen.
»Wie geht es dir denn?«, fragte Lorina und tätschelte Fionas Knie. Gerade noch rechtzeitig erinnerte sich Fiona, dass sie am Telefon behauptet hatte, sie sei so traurig und wütend wegen Evi und würde gern vorbeikommen, um nicht allein zu sein. Fiona grinste schief und zuckte mit den Schultern.
»Das wird schon, Kindchen.« Lorina kaufte ihr die verschlossene Verzweifelte ab. Vielleicht war sie aber einfach nur zu sehr mit ihren Schmerzen beschäftigt.
Als es klingelte, stürmte Fiona zur Tür und begrüßte den Arzt, der Lorina ernst ansah. Während er mit der alten Frau sprach, schlich Fiona ins Schlafzimmer und legte die Fotos
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