Dark Secrets: Gesamtausgabe
hilfloses Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Amanda schwieg und versuchte das Gehörte zu verdauen. Sie fragte sich, wie seine Frau gestorben war. Die Vorstellung, wie er gelitten haben musste, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Als sie aufsah, fand sie seinen ruhigen, tiefgrünen Blick. Konnte es wirklich möglich sein, dass sie mehr für ihn empfand als Lust und Vergnügen?
Aber was spielte das schon für eine Rolle, dachte sie dann. Er hatte ja mehr als deutlich dargelegt, dass für ihn Liebe ohnehin keine Option war. Und zu einem gewissen Maß konnte sie das auch verstehen. Vermutlich wäre es ihr ähnlich ergangen.
„Kannst du bitte etwas sagen?“, fragte er ungeduldig.
„Ich hätte gerne Wein“, erwiderte sie tonlos.
„Wein?“
„Wein.“ Amanda nickte in Richtung der Flasche. „Da dir das Hotel gehört, müsste das ja machbar sein.“ Sie klang gereizter, als sie hatte klingen wollen, was Nicolai nicht verborgen blieb.
„Amanda -“ Er griff beschwichtigend nach ihrer Hand, doch sie entzog sie ihm schnell. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass sie in Tränen ausbrechen würde, wenn er sie jetzt berührte.
„Ich habe ein erstes Diagramm erstellt“, wechselte sie das Thema und verbarg dabei ihre Gefühle hinter einer professionellen Miene. „Wie schnell kannst du die Einbauten vornehmen lassen, wenn ich dir sage, wo was gemacht werden muss?“
Nicolai zögerte, goss ihr schweigend Wein ein. Dann nickte er. „Die Leitungen sind verlegt, die Pumpen bestellt und die Arbeiter warten. Alles in Allem dauert es vielleicht eine Woche, bis die Änderungen durchgeführt sind.“
Amanda nickte und griff nach ihrer Gabel, spießte eine grüne Spargelstange auf und schnitt sie durch, konzentrierte sich auf jede ihrer Bewegungen, um nicht nur an das denken zu müssen, was Nicolai gesagt hatte.
„Ich werde die Nacht durcharbeiten. Morgen früh habe ich die Pläne fertig, dann kannst du mich in die Botschaft bringen.“
Nicolais Gesicht war ernst.
Er wirkte, als würde er widersprechen wollen, doch dann nickte er ebenfalls. „Morgen früh also.“
X
Amanda blieb am Esstisch zurück, mit einer Flasche Wasser, ihrem MP3-Player, dem Computer und einer Masse von Unterlagen und Notizen.
Zuerst fiel es ihr schwer, ihre Gedanken von Nicolai abzulenken, doch je tiefer sie sich in die Materie einarbeitete, desto besser wurde ihre Konzentration. So war es schon immer gewesen, ihre Überlegungen und Forschungen hatten sie stets vor Traurigkeit bewahrt, hatten ihr Trost gespendet, wo es sonst keiner getan hatte. Zahlen, Fakten und physikalische Gesetze waren ein Gefüge, das sie verstehen und einordnen konnte, ganz im Gegensatz zu zwischenmenschlichen Gefühlen. Trauer musste etwas ganz und gar Schreckliches sein. Wie gut, dass die Physik und ihre Gesetze unsterblich waren.
Als sie den MP3-Player abschaltete und ihren Nacken rieb, blickte sie auf ihre Unterlagen. Das würde die vierte Anlage sein, die nach ihrem Muster umgerüstet wurde; und die größte. Sie betrachtete eingehend ihre eigenen Pläne und Zeichnungen. Da sie keinen Drucker zur Verfügung hatte, zog sie alles auf einen USB-Stick und legte ihn auf Nicolais Gutachtenmappe.
Noch reichten die Anlagen nicht aus, um hinter das Optimierungssystem zu kommen, das sie ausgearbeitet hatte. Für den Laien, und wohl auch für den Fachmann, der sich nicht intensiv mit ihrem System, ihrer gesamten Arbeit auseinandergesetzt hatte, wirkte es wie etwas völlig Willkürliches. Dieser Gedanke ließ sie lächeln.
„Du bist so schön, wenn du lächelst.“
Nicolai stand an den Türrahmen gelehnt da und blickte sie an. Unweigerlich wühlte sie sein Anblick auf. Fahrig schob sie die Blätter zusammen und legte sie auf einen Stapel.
„Ich habe das Konzept fertig.“ Sie hob den Stick in die Höhe und legte ihn dann zu den Papieren. „Wenn deine Leute zeitig anfangen, müsste die Anlage schnell umgerüstet sein. Morgen kannst du mich in die Botschaft bringen.“ Sie stand auf und klappte ihren Laptop zu, sicherte ihn per Fingerabdruck. Da Nicolai noch immer in der Tür zum Schlafzimmer stand, blieb sie ein paar Meter vor ihm stehen. Der Druck in ihrer Brust, die eisige Kälte darin, schien mit jeder Sekunde, die sie ihn anblickte, schlimmer zu werden.
„Ich würde gerne ins Bett gehen“, sagte sie fest.
„Amanda.“ Nicolai kam auf sie zu und nahm sie bei der Schulter. Die Herrlichkeit seiner Berührung war schlimmer als ein Schlag ins
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