Dark Secrets: Gesamtausgabe
Schmerz. Sie riss an ihrer Fessel, hielt sich den Kopf mit der freien Hand und stieß einen tonlosen Schrei aus. Sie krümmte sich und wand sich, so dass Spock sie festhalten musste, damit sie sich nicht den Sauerstoff aus der Nase und die Braunüle aus dem Arm riss.
„Geh’ raus, Nicolai!“ Er brauchte alle Kraft, um Daria in die Kissen zu drücken. Wenn man bedachte, wie schwach sie war, konnte ihre heftige Gegenwehr nur durch nackte Todesangst ausgelöst worden sein.
„Simmons, Beruhigungsmittel!“ Hastig zog der junge Arzt eine Spritze auf und injizierte Daria die klare Flüssigkeit. Praktisch schlagartig wurde sie schwächer. Doch sie wand sich und kämpfte noch immer.
Solange dieser Mann an der Tür stand, konnte sie,
durfte
sie nicht schlafen!
„Raus hier!“, rief Spock dem regungslosen Nicolai zu, der sich noch immer keinen Millimeter bewegte. „Simmons, schaffen Sie ihn raus! Sie kollabiert sonst!“
Der junge Arzt verzog unsicher das Gesicht, schaffte es aber Nicolai aus dem Krankenzimmer zu schieben, während Darias Sichtfeld immer enger wurde.
„Es ist gut, Daria. Alles ist gut.“ Sie spürte die schweren, großen Hände auf ihren abgemagerten Unterarmen und konnte endlich nachgeben. Ihre Lider waren schwer wie Blei. Dann war es dunkel.
*
Nicolai stand vor einer Wand mit Picasso-Lithographien und fuhr herum, als Spock aus dem Krankenzimmer kam.
„Sie schläft jetzt“, sagte er schlicht.
Nicolai ging auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. Seine Augen flirrten rastlos, er war noch immer kreidebleich. „Sie hat mich nicht erkannt, Spock!“
„Sie ist noch sehr schwach.“
„Sie hatte Panik! Todesangst!“ Er raufte sich die Haare, machte einige Schritte und kam wieder zu Spock zurück. „Sie ist in meinen Armen gestorben, Spock. In meinen Armen!“ Er hob die Hände, als trüge er sie noch immer darauf. „Ich habe ihren leblosen Körper zum Krankenwagen gebracht. Sie wurde fast dreißig Minuten lang reanimiert und ist gestorben.“
„Du denkst, sie ist es nicht?“
„Ich weiß, dass sie es ist!“, rief er verzweifelt. „Ich erkenne sie, egal wie abgemagert und schmutzig sie ist. Ich erkenne ihren Geruch. Sie war meine Frau, ich habe sie geliebt, mehr als mein Leben.“ Erschöpft ließ er sich auf einen der Stühle fallen und barg das Gesicht in den Händen. Spock setzte sich zu ihm. „Und tust du es noch?“
Sekunden und Minutenlang herrschte Schweigen. „Ich weiß es nicht. Bei Gott! Ich weiß es einfach nicht. Ich bin seit acht Jahren Witwer, Spock, und endlich fühle ich wieder etwas. Ich liebe Amanda!“
„Ich weiß.“ Spock sah auf die Uhr. Daria würde in wenigen Minuten wieder zu sich kommen. „Ich habe ihr Gesicht untersucht.“
Nicolai sah auf. „Ihr Gesicht?“
„Auf Narben. Die plastische Chirurgie ist so weit, dass es sicherlich möglich wäre, ein anderes Gesicht nachzukonstruieren. Wenn du sie als deine Frau akzeptierst, ist sie ein paar Milliarden reicher.“
Nicolai sah verwundert auf. Offenbar hatte er an diese Möglichkeit nicht gedacht. „Aber du hast keine Narben gefunden.“
„Nein. So wie sie aussieht, wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch geboren. Es gibt keine DNA-Proben von ihr. Aber ich habe ihren Zahnarzt ausfindig gemacht und bekomme Röntgenbilder geschickt. Die werde ich abgleichen.“
„Das ist nicht nötig. Sie ist es.“
„Wie kannst du dir nach all den Jahren und dem Zustand, in dem diese arme Frau ist, so sicher sein?“
Wutentbrannt fuhr Nicolai auf. „Sie war meine Frau!“, schrie er. „Was weißt du schon davon, wie es ist, eine Frau zu haben?“
Spocks Miene versteinerte, als er aufstand. „Da hast du wohl Recht.“
„Spock, es tut mir -“
„Sie wird gleich aufwachen“, schnitt er Nicolai das Wort ab. „Ich muss zu ihr.“
„Wenn ich nur wüsste, was ich jetzt tun soll.“
Spock drehte sich noch einmal um, fixierte ihn mit seinem fast schwarzen Blick. „Wenn du das wirklich nicht weißt, hast du keine dieser beiden Frauen verdient.“
Mit diesen Worten ging er zurück ins Krankenzimmer.
XVIII
Amanda stand in ihrem Wohnzimmer und starrte auf die Couch. Auf dem Beistelltisch standen noch immer die beiden Whiskeygläser, die sie nicht weggeräumt hatte. Alles war wie immer. Und doch fühlte sie sich, wie ein Fremdkörper in ihrem eigenen Haus.
Bilder von Nicolai und Daria schoben sich vor ihr inneres Auge, quälten sie mit einer Szene der glücklichen Wiedervereinigung.
Entschlossen
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