Dark Secrets: Gesamtausgabe
griff sie sich ihren Koffer und zerrte ihn die Treppenstufen hinauf ins Schlafzimmer. Sie zog die Reißverschlüsse des Trolleys auf und atmete unwillkürlich Nicolais Duft ein, der ihren Kleidern anhaftete. Sie griff mit beiden Händen in den unordentlichen Kleiderhaufen und hob ihn an ihr Gesicht, saugte den Geruch mit geschlossenen Augen in sich auf, hielt ihn in ihren Lungen fest, bis sie das Gefühl hatte, ersticken zu müssen. Dann nahm sie alles und warf es voller Wut und Verzweiflung in den Wäschekorb.
Kraftlos sank sie aufs Bett und starrte auf den hellen Teppich. Sie hatte ihn verloren. Sie hatte alles verloren.
„Doc?“
Erschrocken fuhr sie auf.
Nicolai stand im Zimmer. Seine Arme und Hände hingen schlaff und unentschlossen herab, sein Gesicht war von Schmerz gezeichnet. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Das dumme Ding wusste offenbar nicht, dass alles vorbei war.
„Diese Alarmanlage ist wirklich das Letzte!“, sagte sie, ohne sich zu rühren.
„Allerdings.“ Er kam auf sie zu, doch sie hob die Hände.
„Nicht. Ich kann das nicht!“
„Ich liebe Dich!“
„Und ich dich!
Und
deine Frau ist zurückgekehrt.
Und
du liebst deine Frau! Das hast du mir selbst gesagt.“
Sein Kopf sank auf die Brust. „Sie hat mich nicht erkannt“, sagte er leise.
„Hast du mit ihr gesprochen?“
„Als ich ins Zimmer kam, hat sie eine Panikattacke bekommen. Spock musste mich rauswerfen lassen.“ Er verschränkte seine langen Finger ineinander, drückte, bis sie knackten.
Plötzlich fiel er vor Amanda auf die Knie. Sie war so perplex, dass sie beinah von der Bettkante rutschte. Schnell griff er ihre Hände und sah zu ihr empor. Die Angst musste ihr ins Gesicht geschrieben sein; genau wie es die Traurigkeit und die Liebe waren.
Sie entwand ihm eine Hand und strich ihm über das schwarze Haar. Unter ihrer Berührung schloss er die Augen und verharrte regungslos.
Sie betrachtete sein schönes, männliches Gesicht. Es musste eine schreckliche Situation für ihn sein; schlimmer als für sie. Seine totgeglaubte Frau tauchte genau in dem Moment auf, als sie sich verliebt hatten. Er musste wahnsinnig sein, wenn er an einen Zufall glaubte. Oh, sie wollte ihn so sehr. Sie liebte ihn so.
„Verlange nicht, dass ich dich mit ihr teile“, sagte sie leise und hörte selbst, wie verzweifelt sie klang. „Das überlebe ich nicht.“
Nicolai spreizte ihre Beine und schlag seine Arme um ihren Rücken, vergrub den Kopf an ihrem Bauch wie ein Kind. Als sie ihre Hände auf seine Schultern legte, seufzte er erleichtert. Die Anspannung wich ein wenig aus ihr und er sah auf.
„Ich würde dich niemals teilen. Und ich würde etwas Derartiges genauso wenig von dir verlangen.“ Er zog sie enger an sich, so dass sein Kopf an ihrer Brust lag, sich ihre Arme um seine Schultern schlangen.
„Ich will immer ehrlich zu dir sein, Amanda. Ich liebe Daria, ich würde sterben für sie. Sie war mein Licht und mein Leben.“
Amanda drängte die Tränen zurück, als er wieder zu ihr empor sah und ihr Gesicht mit seinen Händen umfasste. „Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte“, flüsterte er leise und die Eindringlichkeit seiner Stimme und seines Blickes jagte einen Schauer durch Amandas Körper, „hätte ich niemals geglaubt, dass man einen Menschen noch mehr lieben kann.“
Unweigerlich schluchzte sie auf. „Aber sie ist deine Frau.“
„Das stimmt. Und ich werde ihr alles geben, was sie braucht. Nur mich kann ich ihr nicht mehr geben. Das begreife ich; begreife es jetzt, wo ich dich im Arm halte.“
So erleichtert Amanda einerseits war, diese Worte zu hören, so schwer fiel es ihr, sie zu glauben. Noch war Daria eine bewusstlose, unterernährte, verwirrte Frau in einem Krankenbett. Doch schon bald würde sie aufstehen, würde ihn erkennen. In ihren Augen würde Liebe leuchten. Liebe, wie sie auch in Amandas Augen leuchtete.
„Nicht weinen“, sagte Nicolai. Erst da bemerkte sie, dass ihr eine Träne über die Wange lief. Er streckte sich empor und küsste den salzigen Tropfen von ihrem Gesicht. Sie spürte, wie sich sein Körper anspannte und die Stimmung im Raum umschwang. Als sie ihn ansah, war sein Blick dunkel.
„Nicht jetzt, Nicolai. Ich … es ist nicht richtig.“
Seine Lippen strichen sanft über ihre Stirn. „Meine Gefühle für dich haben sich nicht geändert.“
„Aber Daria …“ Amanda krallte sich in die Bettdecke, um unter Nicolais Berührung nicht vollends dahinzuschmelzen. „Sie liegt allein
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