Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
ist, als ob du und Dad, als ob ihr beide Angst vor irgendwas oder irgendjemandem hättet. Ich verstehe das alles nicht.«
Alex ergriff das Wort. »Wir sind in großer Sorge um Mom, Schätzchen, weiter nichts. Aber sie wird wieder gesund. Ich habe mit Dr.Robertson gesprochen, wir müssen nur Geduld haben. Und es gibt hier keine Bösen«, fügte Alex erstaunlich sanft hinzu. Bisher hatte Marla in seinem Tonfall immer eine gewisse Härte wahrgenommen, diesmal, als er mit seiner Tochter sprach, jedoch nicht. »Nana hat nur ganz allgemein gesprochen. Sag mal, steht unten im Flur nicht ein Getränkeautomat? Hier hast du Kleingeld, lauf und hol dir eine Cola oder so.«
Marla empfand eine leise Zärtlichkeit für diesen Mann, an den sie sich nicht erinnerte, aber Cissy ließ sich auf sein Ablenkungsmanöver nicht ein.
»Ich glaube, ihr verschweigt mir was. Weil diese Frau ums Leben gekommen ist, stimmt’s? Diese Pam hat den Unfall nicht überlebt, und Mom … Mom könnte wegen Mordes vor Gericht kommen, oder? Deswegen … deswegen ist ständig die Polizei in der Nähe.«
Mord? Wovon redeten sie? Durch den plötzlichen Adrenalinschub war Marlas Verstand plötzlich ganz klar.
»Wegen Totschlags. Nicht wegen Mordes.«
Was?
»Detective Paterno versucht nur, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Es war ein Unfall, Schatz. Niemand ist ermordet worden. Deiner Mom wird nichts geschehen. Wenn sie wieder gesund ist, kommt sie nach Hause, die Polizei wird sie fragen, wie es zu dem Unfall kam, und damit hat sich’s, denke ich.«
»Warum hast du dann Onkel Nick herbestellt, wenn es doch weiter nichts ist?«
»Es ist Zeit, dass Nick zurückkommt, okay?«, fuhr er sie an, beherrschte sich aber gleich wieder. »Hier, bitte …« Metallisches Klimpern war zu hören, Schlüssel oder Münzen wahrscheinlich. »Lauf zum Automaten in der Cafeteria und hol eine Limo für Nana und mich. Fanta oder Sprite oder was immer es gibt. Und was für dich.«
Das Klimpern von Kleingeld.
Marla rechnete mit weiteren Einwänden, doch die blieben aus. Cissy murrte nur leise, ging zur Tür, und ihre Schritte verhallten, während Marlas Kopfschmerzen mit aller Macht zurückkehrten.
Die Temperatur im Zimmer war schlagartig um zwanzig Grad gefallen. Was hat dieses Gerede über Mord und Totschlag zu bedeuten? Wer ist Pam? O Gott, habe ich sie umgebracht?
Marlas Herz raste, sie spürte, wie ihr im Nacken der Schweiß ausbrach. Wenn sie sich doch nur erinnern könnte! Wenn sie Fragen stellen und Antworten bekommen könnte! Wenn sie doch nur irgendetwas wüsste!
»Ich gebe es ja nur ungern zu«, sagte Eugenia, »schließlich ist er mein Sohn, aber mir kommen allmählich Zweifel, ob es eine gute Idee war, darauf zu bestehen, dass Nick nach Hause kommt.«
»Moment mal. Es war dein Vorschlag.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte sie, als wundere sie sich über ihre eigene Dummheit. »Ich war erschüttert über den Unfall … Aber da war schließlich diese Sache zwischen ihm und Marla.«
Wie bitte? Welche Sache? Marla wollte den Mund öffnen, was ihr jedoch nicht gelang, und sosehr sie auch gegen den Sog der Bewusstlosigkeit kämpfte, sie spürte doch, wie sie immer tiefer in die sanfte Leere hinabgezogen wurde. Nur mit Mühe konnte sie dem Gespräch noch folgen.
»Das war vor fünfzehn Jahren.«
»Er hat es nie verwunden.«
»Natürlich hat er es verwunden. Immerhin hatte er seitdem eine ganze Reihe Frauen.« Alex’ Stimme klang wieder gereizt. Nervös. Als käme dieses Thema seiner Schmerzgrenze zu nahe.
»Sie interessierten ihn höchstens ein paar Monate lang. Aber er und Marla …«, wandte ihre Schwiegermutter ein.
»Ich weiß.« Alex’ Stimme war eisig, und Marla nahm an, dass sie betroffen sein sollte, doch ihr Bewusstsein ließ sie zu rasch im Stich. »Wir haben aber wohl kaum eine Wahl, oder? Ich habe ihm erklärt, dass sie seinen Namen gesagt hat, und da war er bereit zu kommen.«
Habe ich gesprochen? Wie? Sie wusste nicht, dass sie in der Lage war, auch nur ein Wort herauszubringen. Dabei drängte es sie doch so sehr, sich auf irgendeine Weise verständlich zu machen. Marla hatte Tausende von Fragen an ihre Familie – Fragen über ihr Baby, ihre Tochter, ihr eigenes Leben. Sie versuchte, etwas zu sagen, zu husten, die Aufmerksamkeit ihrer Besucher auf sich zu ziehen … Warum konnte sie nicht sprechen? Vor lauter Verzweiflung krallten sich ihre Finger zusammen.
»Hast du das gesehen?«, fragte Alex aufgeregt.
»Was?«
»Sie hat
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