Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
siehst keinen Verwandten in mir«, erklärte er mit einem Schulterzucken. »Keinen Verwandten von dir.« Nichts regte sich in dem blau verfärbten, geschwollenen Gesicht. »Das war ein Scherz.«
»Ein schlechter.« Ihre Augen fielen langsam wieder zu. »Ein sehr schlechter«, nuschelte sie durch die Drähte, bevor ihr die Stimme versagte.
»Das nächste Mal lasse ich mir einen besseren einfallen«, sagte Nick, doch sie reagierte nicht. »Marla?« Mist, sie durfte doch nicht wieder ins Koma zurückfallen! Er hatte gehört, dass sie überhaupt noch nicht aufgewacht war. Das hatte Alex noch vor kurzem am Telefon gesagt, als er ihm vorschlug, sich mit ihm im Krankenhaus zu treffen – was, wie sich jetzt herausstellte, keine besonders gute Idee gewesen war.
Er vergrub die Hände in den Taschen seiner Lederjacke und verließ das Zimmer, um eine Schwester zu suchen. Mit einer Frau allein zu sein, die offenbar zeitweise das Bewusstsein erlangte, dann aber wieder ohnmächtig wurde – das war kein Vergnügen. Erst recht nicht, wenn es sich bei der Frau um Marla Amhurst Cahill handelte. Er blickte über die Schulter zurück zur offenen Tür und sah Marla reglos im Bett liegen. Sie sah wirklich schlimm aus. Doch wenn sie jetzt aufwachte und gesund wurde, würde sich das bald ändern.
Zweifellos würde sie wieder schön sein.
Nicht dass es ihn interessiert hätte.
Wie war gleich das Sprichwort? Gebranntes Kind scheut das Feuer? Nun, er hatte sich gehörig die Finger verbrannt. Dieses Mal würde er das Feuer scheuen – und wie.
3.
I ch sage dir, sie ist aufgewacht, hat mir direkt in die Augen gesehen und mich gefragt, wer ich bin«, sagte Nick, immer noch ganz erschüttert. Er lehnte an einem Fensterflügel im Wohnzimmer des hundert Jahre alten Herrenhauses, in dem er aufgewachsen war, zerrte am Kragen seines Hemdes und sah seine Mutter an. »Ich war gerade dabei, einer Schwester zu erklären, was passiert war, als Alex kam. Nachdem ich ihm alles erzählt hatte, bin ich gegangen. Ich dachte mir, dass er und seine Frau vielleicht allein sein wollten. Sie haben schließlich eine Menge nachzuholen.«
»Nun, Gott sei Dank, sie hat einen Durchbruch geschafft«, sagte Eugenia von ihrem Lieblingssessel her. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich um sie geängstigt habe. Es war ein Alptraum, Nick, ein grauenhafter Alptraum.«
»Er ist noch nicht vorüber.«
»Oh, das weiß ich.« Sie schüttelte den Kopf, wobei sich kein Strähnchen ihres apricotfarbenen Haares rührte.
In einem anderen Teil des Hauses klingelte das Telefon, doch Eugenia blieb sitzen und blickte nur zu einer Bogentür, die in die Eingangshalle des Hauses führte. Das von Mauern umgebene Anwesen lag am Mount Sutro, bot einen eindrucksvollen Ausblick auf die Stadt und die Bucht und war mit seinem imposanten Haus – eher Arts and Crafts als viktorianisch, wie er sich mehr als ein Dutzend Mal hatte erklären lassen müssen – der Stolz der Familie. Nur Nick hasste das Haus.
Wieder schrillte das Telefon, dann verstummte es. »Carmen wird den Anruf angenommen haben«, sagte Eugenia. »Vermutlich Reporter oder die Polizei. Seit dem Unfall lassen sie uns keine Ruhe. Einige haben sogar eine Zeitlang am Haupttor ihr Lager aufgeschlagen, bis sie eine neue, interessantere Story fanden.« Mit einem Augenaufschlag fuhr sie fort: »Ich hätte mir nie träumen lassen, dass einmal der Tag käme, an dem ich über einen politischen Skandal im Amt des Gouverneurs froh sein würde.«
»Der Preis des Ruhmes«, bemerkte er.
»Ja, nun …« Sie räusperte sich und spielte mit der Perlenkette an ihrem Hals.
Vom Flur her waren eilige Schritte zu hören, und Sekunden später erschien eine schlanke Frau mit glänzendem schwarzem Haar und mandelförmigen Augen. Sie trug eine adrette weiße Bluse mit aufgekrempelten Ärmeln und einen schmal geschnittenen schwarzen Rock. Mit einem Lächeln zu Nick reichte sie seiner Mutter das schnurlose Telefon.
»Es ist MrCahill, er ruft aus dem Krankenhaus an.«
»Gut.« Eugenia nahm das Telefon entgegen und wies auf Nick. »Carmen, das ist mein zweiter Sohn. Nicholas.« Sie blickte ihn über den Rand der Brille hinweg an. »Carmen ist die gute Seele des Hauses. Jetzt, wo hier alles drunter und drüber geht, wüsste ich nicht, was ich ohne sie täte.«
Carmen lächelte. »Ich tue nur meine Pflicht«, versicherte sie und schüttelte Nick mit erstaunlich festem Griff die Hand. »Es freut mich, Sie
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