Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
selbst Dorian stutzte. Die Halskette gehörte wirklich mir, und ich berührte bei ihrem Anblick unwillkürlich die nackte Stelle an meiner Kehle. Dorians Miene drückte wie immer Langeweile aus, aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass hinter seinen grünen Augen ein Mahlstrom von Gedanken wirbelte.
„Wenn das wahr ist“, entgegnete er schließlich, „warum hast du uns dann nicht gleich ihren Leichnam mitgebracht?“
„Der ist bei meiner Königin“, sagte der Soldat selbstgefällig. Er glaubte wohl, endlich Boden zu gewinnen. „Sie hat ihn als Trophäe behalten. Wenn Ihr kooperiert, könnte sie ihn Euch überlassen.“
„Ich glaube dir nicht.“ Dorian sah den Tisch hinab. „Rurik, reichst du mir einmal das Salz? Ah, danke.“
„König Dorian“, sagte Ranelle nervös, „vielleicht solltet Ihr dem, was dieser Mann zu sagen hat, mehr Aufmerksamkeit schenken. Wenn die Königin tot ist–“
„Sie ist nicht tot“, sagte Dorian entschieden. „Und diese Sauce ist köstlich.“
„Warum glaubt Ihr mir nicht?“ Nun klang der Soldat fast wie ein kleiner Junge. „Meint Ihr, sie wäre unbesiegbar gewesen? Meint Ihr, niemand hätte sie töten können?“
„Nein“, gab Dorian zu. „Ich bezweifle nur, dass du sie hättest töten können.“
Rachelle versuchte es erneut. „Mylord, woher wisst Ihr, dass die Königin nicht–“
„Weil sie dort hinten steht. Können wir jetzt vielleicht aufhören und in Ruhe essen?“
Diese Einmischung– und damit das Ende dieser Farce– kam von Jasmine, meiner Schwester im Teenageralter. Wie ich war sie halb menschlich. Im Gegensatz zu mir war ihr absolut nicht zu trauen, und darum frühstückte sie in lockeren, aber magiehemmenden Handschellen. Außerdem hatte sie Kopfhörer auf; die Frühstücksdebatte musste ihre gerade laufende Playlist übertönt haben.
Dreißig Gesichter wandten sich zum Eingang um, wo ich stand, und es gab ein wüstes Schieben von Stühlen, als praktisch alle für eine hastige Verbeugung aufstanden. Ich seufzte. Ich hatte mich gemütlich an die Wand gelehnt, um nach einer harten Nacht kurz von der Reise zu verschnaufen, und dabei zugesehen, wie sich in meinem Zuhause in der Anderswelt diese absurde Szene abspielte. Jetzt stand mein Auftritt an. Ich straffte die Schultern und schritt mit so viel Königinnenwürde in den Speisesaal, wie ich nur aufbrachte.
„Die Berichte über meinen Tod waren stark übertrieben.“ Ich hegte den Verdacht, dass ich das Mark-Twain-Zitat verhunzt hatte, aber unter den hier Versammelten verstand sowieso niemand diese Anspielung. Die meisten hielten es einfach nur für eine Tatsachenfeststellung. Was ja auch wieder stimmte.
Der eben noch zornesrote Soldat wurde blass, und seine Augen traten hervor. Er machte ein paar Schritte nach hinten und sah sich unsicher um. Aber er konnte nirgendwo anders hin.
Ich bedeutete denen, die aufgestanden waren, dass sie sich wieder setzen sollten, und ging zu meiner Halskette hinüber. Ich hob sie auf und musterte sie kritisch. „Du hast den Verschluss zerbrochen.“ Ich funkelte den Soldaten an. „Und zwar, als du sie mir während unseres Kampfes vom Hals gerissen hast– und dabei hast du mich nicht getötet, wie man sieht.“ Ich konnte mich kaum daran erinnern, mit diesem Kerl gerungen zu haben. Er war ja nicht der Einzige gewesen. Ich hatte ihn in dem Chaos aus den Augen verloren, aber nachdem er nun schon dieses „Beweisstück“ errungen hatte, fand Katrice es anscheinend gut, ihn mit einem Bluff hierherzuschicken.
„Für eine Tote seht Ihr hinreißend aus, meine Liebe“, erklärte Dorian. „Ihr solltet Euch wirklich zu uns setzen und diese Sauce probieren, die Ranelle mitgebracht hat.“
Ich ging nicht darauf ein– zum einen, weil er das von mir erwartete, und zum anderen, weil ich natürlich absolut nicht hinreißend aussah. Meine Kleidung war zerrissen und schmutzig, und ich hatte mir in dem Kampf letzte Nacht einige Schrammen geholt. Dem roten Schleier nach zu schließen, den ich in den Augenwinkeln sehen konnte, waren meine Haare verfilzt und standen in alle möglichen Richtungen ab. Der Tag versprach, heiß zu werden, und mein stickiges Schloss ließ mich stark schwitzen.
„Nein“, keuchte der Soldat aus dem Vogelbeerland. „Ihr könnt nicht am Leben sein. Balor hat geschworen, dass er Euch fallen sah– er hat es der Königin erzählt–“
„Lasst ihr das jetzt endlich mal bleiben?“, herrschte ich ihn an undschob mein Gesicht dicht an
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