Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
herauszufinden, was an Pagiels Rückkehr zu seinen Robin-Hood-Spielchen dran war, hätte ich im Traum nicht gedacht. Ich wandte mich an Roland. »Willst du mitkommen?«
Er schüttelte den Kopf. »Dafür taugt ihr zwei besser. Ich gehe wieder und kümmere mich um die Schadensbegrenzung, falls sie erneut zuschlagen. Aber es lässt sich nie richtig vorhersagen, wo es passiert; deshalb komme ich normalerweise zu spät. Sollte ich sie tatsächlich einmal erwischen … « Er sah mich forschend an. »Was möchtest du, das ich dann mit ihnen mache?«
Ich verzog das Gesicht, aber die Frage war berechtigt. »Am besten verbannst du sie nach hierher. Wenn irgendwas passiert … Ich meine, wenn unschuldige Menschenleben in Gefahr sind … «
Ich konnte den Satz nicht zu Ende führen, aber Roland nickte knapp. »Verstehe. Ich werde tun, was ich kann.«
Wir trafen sämtliche Vorkehrungen, um noch an diesem Tag aufzubrechen. Meine Königreiche waren wieder in fähigen Händen, und hinüber zu Dorian zu reisen, war keine große Sache – zumal ich jetzt nicht mehr ständig damit rechnen musste, überfallen zu werden. Seit der Reise ins Eibenland war ich eine richtige Profireiterin und eigentlich inzwischen auch körperlich wieder in meiner alten Form. Bei dieser Überlegung fiel mir ein, wie ich vorhin mit Dorian rumgemacht hatte. Ja. Mein Körper hatte sich definitiv wieder erholt. Aufpassen, Eugenie, warnte mich eine innere Stimme. Schau, was letztes Mal passiert ist, als du das gemacht hast. Bist du nicht außerdem sauer auf Dorian?
Ich sah kurz aus den Augenwinkeln zu ihm, während wir dahinritten, und hatte nicht den Eindruck, dass ich immer noch sauer auf ihn war. Meine Gefühle für ihn waren gemischt, und zum Glück beschäftigte ihn Ysabels und Edrias Täuschung zu sehr, um viel von meinem grüblerischen Zustand mitzubekommen.
Als wir das Eichenland erreichten, stellte ich fest, dass seine Heilung ebenfalls gut vorangekommen war. Am erstaunlichsten war das viele Grün überall. Von der Plage abgesehen, erlebte ich Dorians Land zum ersten Mal nicht mitten in einem endlosen Herbst. Stattdessen sahen alle Pflanzen und Bäume nach Spätsommer aus, grün und voller noch reifender Früchte.
Als wir bei seiner Burg ankamen, warf mir sein Personal jede Menge neugieriger Blicke zu. Ich war hier wohlbekannt, und das Auf und Ab unserer Allianz und unserer Liebesbeziehung hatte auch nicht weniger Anlass zu Klatsch gegeben als das irgendwelcher angesagten Hollywood-Starlets. Die Leute wussten nie, was sie zu erwarten hatten, wenn Dorian und ich zusammen aufkreuzten. Der heutige Tag stellte keine Ausnahme dar.
Dorian war total geschäftsmäßig und wies seine Wachen an, Pagiels Familie sofort in eines der Empfangszimmer zu bringen. Bevor er in seinen Gemächern verschwand, beäugte er mich kritisch. »Verflixt. Ich hätte dafür Sorge tragen sollen, dass du ein Kleid mitnimmst.«
»Was ist denn hier dran falsch?« Ich zeigte auf meine Jeans und das Peter-Frampton-T-Shirt.
»Im Grunde gar nichts«, sagte er mit einem leisen Lächeln. »Ich sehe deine Figur immer gern. Aber ich denke, es wäre besser, wenn wir das ganze Gewicht unseres Königtums einsetzen, wenn wir Ysabel und Edria gleich zur Schnecke machen. Du, komm her.« Ein vorbeieilender Diener blieb auf Dorians Befehl hin sofort stehen. »Bring die Königin von Vogelbeere und Dorn zu jemandem, der sie angemessen einkleiden kann. Dann bring sie zum Ostzimmer, sobald sie fertig ist.«
»Und was ist mit mir?«, murrte Jasmine, als wir beide dem Diener folgten. »Wie ich aussehe, ist anscheinend egal.«
Ich tätschelte ihr den Rücken. »Du trägst ja schon Feinenkleider. Außerdem, wenn du etwas Hübscheres willst, dann lässt sich bestimmt irgendwas auftreiben.«
Wir wurden zu einigen Dienerinnen gebracht, die schon darauf brannten, Jasmine und mich zurechtzumachen. Ich hatte keine Ahnung, ob sie in den Diensten irgendeiner Adligen an Dorians Hof standen oder ob er sie einfach ständig für den Fall bereithielt, dass es galt, eine durchreisende Frau aufzuhübschen. Allerdings lohnte es sich nicht, groß darüber nachzudenken.
Ich tauschte Jeans und T-Shirt gegen ein langes Kleid mit einem V-Ausschnitt zum Schnüren. Es hatte kurze Ärmel, was ich dem derzeitigen Anderswelt-Trend zu Glockenärmeln vorzog, und bestand aus einem leichten Material, das ideal für den Sommer war. Ich nannte die Farbe immer wieder ›dieses hellere Grün irgendwie‹, aber Jasmine und die
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