Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
Dienerinnen korrigierten mich hartnäckig, dass es ›Seladon‹ sei. Meinetwegen. Meine Haare wurden zu einem schlichten Knoten hochgesteckt – kein Vergleich mit den verrückten Turmfrisuren des Eibenlands – , und ich musste zugeben, dass ich am Ende schon fast wie eine echte Königin aussah. Jasmine trug ein vergleichbares Kleid in Dunkelblau.
Dorian nickte zustimmend, als wir zu ihm gebracht wurden. »Seladon. Hervorragende Wahl.«
Er war ebenfalls königlich gewandet. Er hatte seine Reisekleidung gegen ein schwarzes Gewand mit silberner Stickerei ausgetauscht. Normalerweise trug er Hosen und Leinenhemden und dazu ebenso prächtige wie extravagante Roben. Anscheinend hatte er wirklich vor, mit Königtum nur so um sich zu werfen.
»Das Gewand sieht hammermäßig aus«, sagte ich und setzte mich. »Dorian, Töter der Seelen.«
»Ich habe dir ja gesagt, dass ich auf diesen Beinamen neidisch bin.« Er lehnte sich in seinen reich verzierten Armlehnstuhl zurück. »Ihr zwei seid wunderschön, wie immer.«
Ich sah mich um. »Sind Ysabel und Edria noch nicht hier?«
Er winkte wegwerfend zur Tür. »Aber ja. Wir haben sie sofort gefunden. Ich lasse sie allerdings gern warten. Wie ich immer zu sagen pflege, je mehr du jemanden verunsichern kannst, desto besser.«
»Ach so? Ich glaube, ich habe dich das noch nie sagen hören.«
Er schoss ein Lächeln auf mich ab. »Das liegt daran, dass ich es normalerweise an dir praktiziere, meine Liebe.« Jasmine verdrehte die Augen, und er wandte sich an einen Wachsoldaten am Eingang. »Nun gut. Ruf sie herein.«
Damit war der Moment der Leichtigkeit dahin, und Kleider und Gewänder kamen mir auf einmal irrelevant vor gegen das, womit wir uns nun zu befassen hatten. Ich konnte nicht glauben, dass Pagiel wieder in der Menschenwelt war. Schlimmer noch: Bevor Roland aufgebrochen war, hatte er mir erzählt, dass sich Pagiels Aktionsradius sogar vergrößert hatte. Er war auch in Neumexiko gesichtet worden.
Bald wurden Ysabel und Edria hereingeführt, zusammen mit einer unglücklich guckenden Ansonia. Wie schon letztes Mal hatte ich den Eindruck, dass sie gegen ihren Willen mitgeschleift worden war. Ihre Mutter und ihre Großmutter zeigten eine interessante Mischung von Gefühlen. Verärgerung, Furcht und … eine Spur von schlechtem Gewissen.
»Herrgott noch mal«, sagte ich, bevor Dorian mit seiner großartigen, einschüchternden Rede loslegen konnte, die er garantiert vorbereitet hatte. »Ihr wisst es. Ihr wisst es schon eine ganze Weile.«
Ysabel bedachte mich mit einem verkniffenen Lächeln. Ihre Lippen waren heute in dem Rot ihrer Haare angepinselt. »Verzeihung, was meint Ihr? Ich weiß leider nicht, wovon Ihr sprecht.« Ihre Höflichkeit überzeugte mich nur noch mehr davon, dass sie log.
»Bevor du noch ein weiteres Wort sagst«, verkündete Dorian mit einer furchterregenden Miene, wie ich sie nur selten an ihm erlebt hatte, »werdet ihr Königin Eugenie und mir den geziemenden Respekt erweisen. Ihr seid in eurer Zeit hier ebenso faul wie dreist geworden, und ihr könnt euch glücklich schätzen, wenn ich euch nur hinauswerfe, statt euch wegen Hochverrats in den Kerker zu stecken.«
Ysabels Lächeln war wie weggefegt, und die drei beeilten sich, die tiefsten und respektvollsten Knickse zu machen, die ich je gesehen hatte.
»Eure Majestät«, sagte Edria. »Ich verstehe nicht, wieso Ihr von Hochverrat sprecht. Wir sind Eure allertreuesten Untertanen, und Ihr braucht uns nur zu sagen, womit wir Euch dienen können.«
Dorian stand auf, stürmte zu Edria hinüber und beugte sich bis auf wenige Zentimeter an ihr Gesicht heran. »Wenn ihr meine ›allertreuesten Untertanen‹ wäret, dann hättet ihr mir sofort berichtet, dass Pagiel seine Raubzüge bei den Menschen wieder aufgenommen hat! Also. Wo ist er? Und ich warne euch, ich werde es wissen, wenn ihr lügt; also rettet euren Hals, solange ihr noch könnt.«
Ansonia war ganz Schock und große Augen und wäre wahrscheinlich sofort mit allem herausgeplatzt, was sie wusste. Ysabel und Edria dagegen nicht; man konnte förmlich sehen, wie sich die Zahnräder in ihren Köpfen drehten, während sie hektisch überlegten, welche Taktik ihnen wohl am wenigsten Ärger einbrachte.
»Wir haben angenommen, Eure Majestät wüsste solches Handeln zu schätzen«, sagte Ysabel schließlich. Anscheinend hielt sie eine Mischung aus Wahrheit und vorgetäuschter Naivität für die beste Vorgehensweise. »Schließlich habt Ihr Euch
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