Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
verlieren würden.
»Dorian?«, fragte ich. Er war jetzt auch bei uns und sah auf Pagiel hinunter, mit einem qualvollen Ausdruck im Gesicht.
»Das geht über meinen Verstand.« Er hob den Kopf und sah sich auf der Lichtung um. »Hier ist noch jemand anders.« Er stand wieder auf und löste in der Hoffnung, diesen Jemand aus seinem Versteck zu scheuchen, mehrere Erdstöße aus.
Aber es nutzte nichts, es war schon zu spät. Pagiel hatte aufgehört, um Luft zu kämpfen. Pagiel hatte überhaupt aufgehört, zu kämpfen.
Der Thronerbe des Sturmkönigs war tot.
Kapitel 27
»Nein!«, schrie Jasmine. Tränen liefen ihr das Gesicht hinab, und sie schüttelte ihn. »Können wir keine Herz-Lungen-Wiederbelebung machen oder so was? Setz die Luft ein! Gib ihm welche!«
Ich starrte voller Trauer auf den Jungen hinab. Sein Gesicht und sein Hals waren jetzt so angeschwollen, dass es mir absolut unmöglich war, mit Gewalt Luft in ihn hineinzubekommen – nicht, wenn alle Wege in seine Lunge blockiert waren. Ich konnte ja nicht den Körper kontrollieren.
Unvermittelt drang eine weiche Stimme aus dem Wald herüber. »Ich bin gleich hier, Dorian. Du kannst ruhig aufhören mit deiner Schau.«
Maiwenn erschien, glitt voran in einem silbrig blauen Kleid, das in dieser Umgebung deplatziert wirkte. Ihre hellblonden Haare flossen ihr den Rücken hinab, und sie sah wie das California-Girl aus, als das ich sie immer gesehen hatte. Dorian hörte wirklich mit dem Erdbeben auf, aber seiner angespannten Haltung nach hielt er seine Magie weiterhin bereit. Maiwenn ließ den Baum los, an dem sie sich festgehalten hatte.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte ich. »Deine Magie … sie heilt doch.«
Maiwenn zuckte leicht mit den Achseln. »Das eine ist wie das andere. Meine Magie versteht, wie der Körper arbeitet. Leid zufügen ist ebenso leicht wie Heilen.«
Ich war fassungslos, wie locker sie über das reden konnte, was sie eben getan hatte. Dorian hatte keine solchen Probleme. »Wirst du denn nachts auch leicht schlafen können«, fragte er ruhig, »wenn du weißt, dass du einen unschuldigen Jungen getötet hast?«
»An ihm war überhaupt nichts Unschuldiges«, erwiderte Maiwenn unverblümt. »Ich habe unseren beiden Welten viel Ärger erspart. Ihr solltet dankbar sein. Wenn ihr nun die Güte hättet, Kiyo loszulassen. Ich würde mich gern auf den Weg machen.«
»Dankbar?«, fauchte ich. » Dankbar? Ich werd dir zeigen, wie dankbar ich bin!«
Im Bruchteil einer Sekunde zog ich die geladenen Teilchen in der Luft zusammen und schuf einen Blitz, um ihn mitten in Maiwenn hineinzujagen. Ich wollte ihn gerade loslassen, da hörte ich Jasmines Kreischen hinter mir. Ich hatte keine Ahnung, was da gerade passierte, aber ich schaffte es, den Blitz abzulenken, sodass er stattdessen nur Zentimeter neben Maiwenn in einen Baum einschlug. Ohrenbetäubender Donner rollte um uns herum, und der Baum verging in einer spektakulären Explosion von Feuer und Holz. Mir taten die Ohren weh, und Maiwenns bluteten wahrscheinlich von dem Lärm.
Ich drehte mich sofort zu Jasmine um. Sie wand sich auf dem Boden. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. »Es ist wie … tausend Nadeln … als ob mein Körper in Flammen steht … «
»Verflucht noch mal!« Ich starrte Maiwenn finster an. Dunkle Wolken bildeten sich über uns, und der Wind wirbelte ruhelos um uns herum. »Hätte ich bloß zugelassen, dass er dich erschlägt! Lass sie frei.«
»Nein. Es war im Gegenteil klug von dir, mich zu verschonen«, sagte Maiwenn. »Ich habe den Zauber bereits gewirkt. Ihr Körper steht nahe davor, sich selbst zu zerreißen. Nur meine Macht hält den Zauber noch in Schach. Töte mich, und er wird seine volle Wirkung entfalten. Dann wird sie nichts mehr retten.«
»Scheißdreck«, sagte Jasmine mit zusammengebissenen Zähnen. »Warum … muss immer … ich … die Geisel sein?« Ich sah besorgt zu ihr, aber bis jetzt schien der Zauber vor allem Schmerzen zu verursachen. Es machte nicht den Eindruck, als ob sie wie Pagiel zu sterben drohte – noch nicht.
»Also«, sagte Maiwenn. »Ich will nicht noch einmal darum bitten müssen. Lasst Kiyo frei.«
Ohne Pagiels zusätzlichen Druck war Kiyo einfach nur in meinem nebeligen Wirbelwind gefangen. Ungemütlich, aber nicht tödlich. Wütend und frustriert – aber ohne Handlungsmöglichkeiten – ließ ich ihn los. Er hatte immer noch die Gestalt eines riesigen Fuchses, und sein Fell war klatschnass. Er sah sich rasch um und trottete dann
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