Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
nichts wissen.
Bei Candaces Worten flackerte Hoffnung in mir auf. Vielleicht wollte sie ja, dass ich ihr bei einem Fall half! Ich verwarf den Gedanken so schnell wieder, wie er mir gekommen war. Es stand so gut wie fest, dass Roland ihr nachdrücklich klargemacht hatte, mich unter keinen Umständen assistieren zu lassen, und Candace war fürsorglich genug, um sich daran hundertprozentig zu halten.
»Was brauchen Sie denn?« Ich zerbrach mir den Kopf nach Haushaltsarbeiten, die erledigt werden mussten, aber mir fiel keine ein, die einfach genug war, dass ich sie hätte übernehmen dürfen.
»Das Geschäft brummt gerade«, sagte sie. »Und ich bekomme jede Menge Anrufe und E-Mails. Ich komme damit kaum hinterher. Charles gibt sich alle Mühe, aber er kann manchmal nicht beurteilen, was Priorität hat und was nicht.«
Eine Sekretärin. Sie wollte mich als ihre Sekretärin. Ich war buchstäblich sprachlos.
Da ihr mein Schweigen unbehaglich war, fügte sie hinzu: »Ich dachte, mit Ihrer Erfahrung müssten Sie doch alles gut einstufen und in die richtige Abfolge bringen können.«
»Aber ja«, sagte ich schließlich. »Was immer Sie brauchen.«
Meine Zusage entsprang eher einem Pflichtgefühl dieser Frau gegenüber, die so viel für mich getan hatte, als irgendeinem echten Wunsch nach Büroarbeit. Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen – ich hatte großen Respekt vor dieser Tätigkeit. Zu Hause in Tucson hatte ich eine Bürokraft namens Lara gehabt. Sie fehlte mir schon allein wegen ihrer witzigen Art, aber sie war auch fantastisch darin gewesen, mit den alltäglichen Wirrnissen meines Lebens und meiner Arbeit fertig zu werden. Aber so toll ich sie auch fand, es verletzte meinen Stolz, auf Telefonanrufe und E-Mails reduziert zu werden. Ich zählte zu den mächtigsten Schamanen in der Menschenwelt. Ich konnte Sachen, die die meisten meiner Kollegen nicht hinbekamen … aber nun wurde ich auf so etwas reduziert.
»Ich weiß, es ist nicht ideal«, sagte sie sanft. »Aber ich glaube, Sie sind gut darin.«
Da wurde mir klar, dass hinter ihrem Angebot mehr steckte als nur das Bedürfnis nach jemandem, der ihren Geschäftskram organisierte. Ich hatte sie, genau wie bei ihren schamanischen Fähigkeiten, unterschätzt. Sie bekam mehr mit, als sie durchblicken ließ. Sie wusste absolut, dass ich gelangweilt und ruhelos war; also tat sie, was sie konnte, um mir zu helfen und dabei trotzdem in den Grenzen von Rolands Anweisungen zu bleiben.
»Danke«, sagte ich und meinte es ernst. »Ich werde mein Bestes tun.«
Ein erleichtertes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Prima. Und wo das jetzt geklärt ist, erzählen Sie mir doch, wie Ihr Termin gelaufen ist.«
Ihre helle Begeisterung ließ mich schmunzeln. Ich hatte in Huntsville eine Praxis gefunden und am Vormittag eine Untersuchung gehabt, auch diesmal wieder mit guten Werten. »Das können Sie sich selbst anschauen. Auf dem Tresen liegt ein Hefter mit etwas darin, das Ihnen bestimmt gefällt.« Die Praxis hatte mir ein paar Ultraschallaufnahmen der Zwillinge mitgegeben. Candace sauste ins Haus, und einen Moment später hörte ich ein erfreutes Kreischen. Lachend wandte ich mich wieder meinem Buch zu.
Als ich am nächsten Tag anfing, für Candace zu arbeiten, konnte ich nur staunen, wie Lara es geschafft hatte, jahrelang ihre Arbeit zu machen, ohne dabei durchzudrehen.
Wobei es ehrlich gesagt nicht so war, dass ständig das Telefon klingelte. Candace hatte einen eigenen Geschäftsanschluss, und ich bekam an diesem Tag nur eine Handvoll Anrufe. E-Mail-Anfragen genauso. Trotzdem war ich ziemlich verblüfft, mit wie unterschiedlichen Persönlichkeiten ich es zu tun hatte. Es fiel mir leicht, den Unterschied zwischen einem größeren und einem kleineren Spuk zu erkennen, und Letzter bekam in der Regel einen späteren Termin. Manche Leute nahmen das nicht so gut auf. Ebenso frustrierend waren die Leute, die nicht einmal wussten, was sie eigentlich wollten.
»Es ist praktisch ein unregelmäßig wiederkehrendes Klopfen in den Wänden«, erklärte mir ein Mann am Telefon. »Meistens wenn die Klimaanlage anspringt.«
»Sie haben eine zentrale Anlage?«
»Ja.«
»Hm … könnte es dann nicht sein, dass damit etwas nicht in Ordnung ist?«
Er überlegte. »Eher unwahrscheinlich. Die hat noch nie solche Geräusche gemacht. Ich habe sie schon seit Jahren.«
»Na ja«, sagte ich geduldig, »Sachen verschleißen halt.«
»Ich weiß nicht. Ich bin mir ziemlich sicher,
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