Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
du das nicht gleich gesagt?«, rief Candace. »Dann wasch dir die Hände. Das ist ein zivilisiertes Haus.«
Evan fügte sich brav und ging zum Spülbecken. »Ich bin Eugenie«, sagte ich.
»Evan ist Charles’ Neffe«, erklärte Candace und setzte sich wieder hin. »Er lebt ein paar Meilen entfernt.
Evan kam mit sauberen Händen zurück und schloss sich uns an. »Ich bin bloß vorbeigekommen, um Onkel Chuck sein Werkzeug zurückzugeben. Aber ohne zu essen, kommt man hier nicht wieder weg – zumal zur Abendbrotzeit.«
»Die Erfahrung mache ich auch gerade«, sagte ich.
Das ließ ihn erneut lächeln, und er schaufelte sein Essen mit genug Begeisterung in sich hinein, um selbst Candace zufriedenzustellen. Sie dominierte das Gespräch bald wieder, obwohl Evan ihr durchaus gewachsen war und immer wieder versuchte, Charles und mich mit einzubeziehen. Evan war nicht annähernd so schlaksig wie sein Onkel, aber er hatte die gleichen blonden Haare und blauen Augen. Sein muskulöser Körperbau bestätigte seine Behauptung, den ganzen Tag draußen gearbeitet zu haben, ebenso sein beginnender Sonnenbrand, für den ihn Candace prompt ausschimpfte.
»Was arbeitest du denn, Evan?«, fragte ich während einer der seltenen Gesprächspausen. Ich rechnete absolut mit allem zwischen Farmer und Mechaniker. Ich hatte mich wohl immer noch nicht komplett von meinen Vorurteilen losgemacht.
Er hörte kurz auf, Kartoffeln zu mampfen. »Ich bin Lehrer an der Highschool. Jedenfalls die meiste Zeit des Jahres über. Jetzt habe ich noch einen Monat frei.«
Überraschende Antwort. »Was unterrichtest du?«
»Physik. Und Arbeitskunde.« Als er meinen verblüfften Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Es ist eine kleine Schule. Da müssen einige Lehrer doppelt ran.«
»Kann ich mir vorstellen. Die Kombination klingt mir nach einem ganz schönen Spagat.«
Er schüttelte den Kopf. »Du würdest staunen. Außerdem hab ich damit eine Ausrede, jede Menge Ausflüge zum Space Center zu machen.«
»Du solltest Eugenie einmal dorthin mitnehmen«, sagte Candace. Sie wandte sich an mich. »Er ist so oft dort, die sollten ihn für Führungen engagieren. Vielleicht redest du einmal mit ihnen, Evan. Dann könntest du dir den Sommer über ein bisschen was dazuverdienen.«
»Ich denke doch, ich kann Eugenie dort herumführen, ohne dass mir das Space Center was erstattet«, sagte Evan ruhig. »Wenn sie überhaupt dorthin möchte.«
»Klar«, sagte ich – vor allem, weil ich noch nicht genau wusste, wie ich hier meine Tage herumbringen würde. Die Ironie des Ganzen entging mir nicht. Ich hatte nicht nur gerade ein Schattenreich voller Geheimnisse und Magie hinter mir gelassen; ich meldete mich nun auch dafür, den größten Triumph der Menschentechnik zu erkunden. »Das wäre toll.«
»Aber nicht, dass du ihr zu viel zumutest«, warnte Candace. »Sie ist schwanger. Mit Zwillingen.«
Evan checkte kurz meine Figur. »Im Ernst? Da wäre ich nie drauf gekommen.«
»Schmeichler«, sagte ich leise, sehr zu seinem Amüsement.
»Du darfst mit ihr auch nicht in einen dieser Simulatoren rein«, fügte Candace hinzu. »Die sind nicht gut für Schwangere.«
»Das weiß ich«, sagte Evan geduldig.
»Ich wollte nur sichergehen«, sagte sie. »Ich weiß doch, wie gern du den Bogen manchmal überspannst.«
Ehrlich gesagt kannte ich keinen Menschen, der weniger danach aussah, als ob er den Bogen manchmal überspannte – da kam nur Charles an ihn ran. Diese lässig-lockere Art musste in der Familie liegen. Beide schmunzelten viel und waren anscheinend immer gut drauf. Obwohl Candace ihnen aus den verschiedensten Gründen ganz schön zusetzte, hatten sie einander sichtlich sehr gern, und sie waren alle bereit, mich in ihren kleinen Kreis aufzunehmen. Das war berührend und seltsam zugleich, und ich erwähnte es später Evan gegenüber.
»Deine Tante und dein Onkel sind echt nett«, gestand ich, als wir allein waren. Charles hatte Evan damit betraut, mir den überzähligen DVD -Spieler anzuschließen. »Ich weiß, sie ist mit Roland befreundet, meinem Stiefvater – aber trotzdem. Sie haben sich ja richtig überschlagen. Dass ich hier so aufgenommen werde, damit hatte ich nicht gerechnet.«
»So sind sie eben.« Evan wandte mir den Rücken zu, während er zwischen Fernseher und DVD -Spieler einige Kabel anbrachte. »Einfach herzensgute Menschen. Und außerdem würden sie sich für jemanden wie dich ohnehin jederzeit ein Bein ausreißen.«
Ich runzelte die Stirn.
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