Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
geändert. Monster, die in Eis und Schnee zu Hause waren, sahen sich dank Varia einer gewaltigen Vergrößerung ihres Lebensraums gegenüber. Sie kamen aus ihren Verstecken und suchten die frierenden Feinen heim. Da ein so großer Teil der Infrastruktur zusammengebrochen war, konnten die Monarchen ihrem Volk kaum helfen, die Bedrohungen abzuwehren. Dieser ›Sturm‹ war nur das erste von vielen Winterungeheuern, denen wir begegneten. Eisdämonen, Albinotrolle, noch mehr Schneemenschen … die Vielfalt erschien uns schier grenzenlos.
»Wieso sind in unseren Reichen noch keine solchen Monster gesichtet worden?«, fragte ich Dorian eines Tages. Es war Nachmittag, und wir ritten Seite an Seite. Ein paar Sekunden lang antwortete er nicht, und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wirkte er zwar noch nicht erledigt , aber doch müde. Wir waren jetzt eine Woche unterwegs, und das zehrte an uns allen.
»Aus verschiedenen Gründen, denke ich«, sagte er schließlich. »Zum einen ist es eine Frage der Logistik. Diese Wesen neigen dazu, in entlegenen Gebieten zu leben. Es braucht einfach seine Zeit, bis sie begreifen, dass die Plage ihnen die Tafel reich gedeckt hat, und dann müssen sie sich natürlich erst einmal ausbreiten. Vielleicht haben sie unsere Lande schlicht noch nicht erreicht.«
Das war eine entmutigende Antwort, deren Ernst von seiner nüchternen Miene noch unterstrichen wurde. »Und zum anderen?«
»Wir haben uns im Kriegszustand befunden, als sich diese Katastrophe ereignet hat. Unsere Heere waren gut aufgestellt; es gab regelmäßige Patrouillen. Dabei ist es größtenteils geblieben, obwohl unsere Streitkräfte durch die Plage einige schwere Schläge einstecken mussten. Aber andere Königreiche? Wie das Palmenland? Die haben ein idyllisches, friedliches Leben geführt. Ihre Heere waren auf ein Minimum reduziert; also fehlte es ihnen schon an Mannstärke, als die Plage über sie kam, und jetzt, wo die Monster aus ihren Verstecken kommen, haben sie ihnen kaum etwas entgegenzusetzen.«
»Und wir?«, fragte ich. »Werden unsere Streitkräfte in der Lage sein, unser Volk zu beschützen?«
Er sah mich für einen langen Moment an, und ich hatte den Eindruck, dass er überlegte, ob er die Wahrheit sagen oder mich beruhigen sollte. Er entschied sich für Ersteres. »Ich weiß es nicht. Wir sind besser gestellt als die meisten, und es ist ein Gesetz der Natur, dass Raubtiere leichte Beute bevorzugen. Ich wünsche keinem dieser Lande Böses, aber sie sind für Schneemonster wahrscheinlich attraktiver als wehrhafte Lande wie unsere.«
Seine Behauptung wurde durch die Tatsache bestätigt, dass etliche der Wesen versuchten, sich zurückzuziehen, wenn sie merkten, was wir ihnen entgegenzusetzen hatten. Unsererseits wäre es klug gewesen, sie flüchten zu lassen … aber ob es nun klug war oder nicht, wir verfolgten sie meist und brachten sie zur Strecke. Wir konnten uns das schlecht verkneifen, wo wir doch immer wieder an verwüsteten Dörfern vorbeikamen. Diese Leute schutzlos zu lassen, wäre grausam gewesen. Es spielte keine Rolle, ob es unsere Königreiche waren oder nicht. Wir waren alle Opfer von Varias Machenschaften.
Außerdem brachte ein gelegentlicher Kampf auch Abwechslung in unsere Reise. Volusian und unsere eigenen Erkundungen bestätigten uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren, aber unsere Tage waren lang und eintönig. Wir wussten nicht genau, wie lange die Reise noch dauern würde, und unser Proviant ging allmählich zur Neige. Ich hörte zufällig mit an, wie Rurik und die Soldaten darüber debattierten, ob sie die Rationen noch einmal verkleinern sollten, um sicherzustellen, dass wir bis zum Ziel etwas zu Essen hatten. Wir waren bereits vom Hunger geschwächt, und so entschieden sie sich zu diesem Zeitpunkt dagegen – aber ich hatte den Eindruck, dass sich das sehr bald ändern konnte. Es gefiel mir nicht, aber die Vorstellung, dass uns der Proviant völlig ausgehen konnte, gefiel mir noch viel weniger.
Kiyo stellte auch weiterhin eine konstante Belastung für mich dar. Jedes Mal, wenn er mich allein erwischte, versuchte er, mir wieder seine ›vernünftigen‹ Gründe dafür nahezubringen, warum Isaac eine solche Bedrohung darstellte. Zum Glück erwischte er mich nur selten allein, weil fast alle anderen sehr darauf achteten, seine Bemühungen zu unterbinden. Dorian tat dann immer so, als müsste er mich unbedingt etwas Wichtiges fragen, was sich fast jedes Mal als lachhaft herausstellte –
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