Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
in Erfüllung.
Da ich schon von Berufsgründen wegen einen erhöhten Mitteilungsbedarf habe, ist es mir ein Bedürfnis, meine Geschichte niederschreiben. Sie handelt von tiefer Freundschaft, ewiger Verbundenheit, verlorener Liebe und Geheimnissen. Dunklen Geheimnissen.
Doch werde ich nicht jedes Detail einbinden. Es steht zu viel auf dem Spiel und zu vieles ist schon verloren gegangen.
Vor allem meine Unschuld – unsere Unschuld.
Ich habe festgestellt, dass es manchmal besser ist, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann, dass es kein größeres Geschenk als Freundschaft gibt, Liebe und Tod real sind, und vor allem, dass man schlafende Hunde besser nicht wecken sollte. Ein Geheimnis, das man vor langer Zeit vergraben hat, sollte man auch unter der Erde lassen. Wir haben es nicht getan, wir haben es wieder zurückgeholt. Es wäre besser gewesen, wir hätten es nicht getan.«
***
Die Schrift auf dem Blatt Papier war nichts weiter als schwer lesbares Gekritzel; bedingt durch die Zittrigkeit, die Sam immer noch seit seinem Abflug in den Staaten fest im Griff hatte. Sam wusste ganz genau, was er mit dem Schreiben erreichen wollte. Doch wusste er auch, dass dieses Manuskript für die Ewigkeit war. Nichts und niemand könnte es aus seinem Gedächtnis brennen. Es wäre für immer da, aber das war es ohnehin schon. Sein Agent würde jubeln über das Folgende. Das wäre seine Rückkehr in den Literatur-Olymp. Niemand würde je ahnen, dass es die Wahrheit war. Nichts als die pure Wahrheit. Es wäre sein Geheimnis.
Schluss mit den Geheimnissen.
Sam nahm das Stück Papier, donnerte es auf den Schreibtisch, vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte. Es war das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit.
Kapitel 2
Zehn Tage vorher
Es war der 2. Juni, an dem das Kuvert mit dem Schreiben aufgegeben wurde. Noch ahnte die Person nicht, und schon gar nicht der Brief selbst, was sein Inhalt auslösen sollte. Hätte er eine Seele gehabt und sprechen können, so würde er seinen langen Weg als mühselig und mancherorts auch vielleicht als unliebevoll beschreiben. Wir wollen ihn nun ein Stück auf seinem Leidensweg begleiten. Seine Existenz begann in der neuen Welt, den fernen Vereinigten Staaten. Das angenehmste und weitaus erregendste Erlebnis für ihn war, als das Kuvert von der zarten feuchten Zunge einer hübschen Mittdreißigerin abgeleckt wurde. Das war das Highlight. Die nächste erwähnenswerte Station stellten die wulstigen Finger des Postbeamten von Flagstaff, Nebraska, dar. Dort, im Postamt, folgte die erste brutale Tat, als der Stempel ihn mit voller Wucht zum ersten Mal traf. Dann wurde es für lange Zeit dunkel. Stundenlanges Motorengeräusch begleitete den Brief ohne sein Wissen und seine Zustimmung über den großen Teich, wo er schließlich wieder Tageslicht erblickte. Und wieder wurde die Korrespondenz von einem zum anderen gereicht; unachtsam in eine Kiste, die randvoll mit Artgenossen war, geworfen. Scannen, stempeln, scannen, stempeln. Tagelang ging es so weiter, bis er schließlich nichts ahnend seinem eigentlichen Ziel nahe kam. Kaum in Frankfurt am Main eingetroffen, wurde er zum zuständigen Verteilerpostamt gekarrt und gelangte schließlich in die Hände eines Briefträgers.
Der dickliche Postbeamte war bereits seit den frühen Morgenstunden unterwegs. Wie jeden Tag glich sein Tun einem Schweizer Uhrwerk. Da er heute für einen Kollegen, der unerwartet krank geworden war, einsprang, nahm er das Navigationsgerät zur Hilfe. Er wies das Gerät an, ihn in die Münzstraße zu führen. Die letzte Station des Briefes. Der Bote dürfte recht zufrieden mit seinem Leben und seinem Job gewesen sein, denn er spazierte glückselig ein Lied trällernd über die Straße. Ob er sich bewusst war, was für schreckliche Geschehnisse er mit dem Überbringen des Schreibens auslösen würde? Wie sehr es das Leben von einigen, ihm unbekannten Menschen verändern würde? Vermutlich nicht.
Fragte sich der Postbote überhaupt manchmal, welch wertvolle, banale, Freude und Kummer bringende Geschenke er den Leuten überreichte? Zweifelhaft.
Würde sich etwas ändern, wenn er es wüsste? Ganz bestimmt nicht.
Er machte doch bloß den Job, den er liebte, und den machte er gut.
Der dicke Beamte stand nun mitten auf dem Fußabstreifer vor dem schmucken Haus mit den weißen Holzpaneelen und klingelte an der Tür. Er hoffte, dass der Adressat mit
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