DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
umherzuwandern.
Aber ich kann nicht hier stehen und mit ansehen, wie er sie vergewaltigt. Immer noch unsicher, was ich tun soll, beginne ich mich aus meinem Versteck zu schieben und nach meinen Messern zu greifen. Ein scharfes Klopfen an der Tür lässt mich in meinem Schritt innehalten.
»Wer ist da?«, knurrt d’Albret.
»Madame Dinan, Euer Erlaucht.«
D’Albret lässt Tildes Hand los – ist das ihr Seufzer der Erleichterung oder mein eigener? –, dann deutet er mit dem Kopf auf die Tür. Die Dienerin beeilt sich, sie zu öffnen und Madame Dinan einzulassen.
Ihr Blick flackert verärgert, als sie das jüngere, hübschere Dienstmädchen sieht. »Geh«, befiehlt sie ihr. »Ich werde mich um den Grafen kümmern.«
Tilde wartet nicht darauf, dass d’Albret zustimmt, sondern schlüpft lautlos aus dem Raum und beweist einmal mehr, dass sie einen klugen Kopf auf den Schultern hat.
Als die beiden allein sind, erhebt sich d’Albret aus dem Zuber, und ich habe einen klaren Blick auf seinen Rücken. Das Wasser strömt über seine raue, schwarze Behaarung wie ein Bach, der über Steine fließt, aber da ist kein Mal. Nicht einmal ein Fleck oder Schatten, den ich als ein solches ansehen könnte.
Die Enttäuschung trifft mich beinahe körperlich, wie eine Faust, und mir wird übel. Es ist nicht nur ein flaues Gefühl in meinem Magen, sondern eine Übelkeit des Herzens. Wahre Verzweiflung. Wenn dieser Mann kein Mal trägt, wie kann Mortain dann existieren?
Auf diesen Gedanken folgt unmittelbar eine willkommenere Erkenntnis. Wenn Mortain nicht existiert, wie kann es dann eine Gefahr geben, Seine Gnade zu verlieren?
Aber bin ich mir sicher, dass Er nicht existiert? Sicher genug, um meine ewige Seele darauf zu verwetten?
Bevor ich mich entscheiden kann, wird die Tür des Gemachs aufgestoßen, und d’Albret reißt den Kopf hoch. »Wer ist da?«
In Marschall Rieux’ Stimme schwingt ein Unterton schwachen Abscheus mit. »Ich entschuldige mich für die Störung. Aber die Späher sind aus Ancenis zurückgekehrt.«
»Und das konnte nicht bis zum Morgen warten?«, fragt d’Albret.
Ich bin mir sicher, dass d’Albret Rieux an Ort und Stelle für seine ungeheuerliche Dreistigkeit erschlagen wird, aber er tut es nicht. Entweder wurde Rieux unter einem Glücksstern geboren oder d’Albret hat irgendeine Verwendung für den Mann und will ihn nicht jetzt schon vernichten.
»Nein, das konnte es nicht. Was Hauptmann Dunois uns gesagt hat, ist wahr. Die Franzosen haben Ancenis eingenommen. Wir müssen sofort eine schlagkräftige Truppe ausschicken, um es zurückzuerobern.«
»Müssen wir?«, fragt d’Albret, und es folgt eine weitere Pause, bei der ich zu frösteln beginne.
»Aber natürlich!«
Durch meinen Vorhangspalt sehe ich ein Stirnrunzeln auf Madame Dinans Gesicht, als sie wieder und wieder ihren Rock glatt streicht, obwohl nirgendwo eine Falte ist. D’Albret legt den Kopf schräg. »Also schön.« Er erlaubt Madame Dinan, ihm in seinen Morgenrock zu helfen, dann dreht er sich zu Rieux um.
»Euer Schwert.« D’Albret streckt die Hand aus und mein Herz beginnt zu rasen. Jetzt hat der Narr es geschafft. Er hat d’Albret einmal zu oft verärgert.
Marschall Rieux zögert. D’Albret legt einen Finger an die Lippen, als teile er ein Geheimnis. Ich kann es nicht ertragen zuzusehen, denn obwohl mir nichts an Rieux liegt, hat der Mann zumindest versucht, sich an Ehrbegriffe zu halten. Ich wende den Blick ab und schaue nach links, weg von der Lücke in den Vorhängen, durch die ich sie alle beobachtet habe.
Ich erinnere mich an das Blut …
Ich will mir die Ohren zuhalten wie ein Kind, aber ich bin nicht bereit, meine Messer loszulassen.
Stahl klirrt, als Rieux sein Schwert zieht, gefolgt von einem leisen, streichenden Geräusch, als d’Albret es in die Hand nimmt. Ein Moment der Stille, dann ein schwaches Sirren, als die Klinge die Luft durchschneidet. Dann folgt ein reißendes Geräusch, als der Vorhang zu meiner Rechten durchgeschnitten wird. Überraschtes Schweigen füllt den Raum, während die untere Hälfte langsam zu Boden flattert. Ich verharre so reglos wie möglich, drücke mich möglichst weit links an die Wand und bete, dass ich hinter dem verbliebenen Stück Vorhang nicht zu sehen bin. Mein Herz schlägt so heftig, dass ich das Gefühl habe, es würde mir in der Brust zerspringen.
»Was ist los, Euer Erlaucht?«
»Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Außerdem verabscheue ich diese Wandbehänge.
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