Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
dieser hässliche Ausdruck auf seinem Gesicht. Er hatte nicht gewusst, dass er so aussehen konnte. Seltsam. Er blinzelte, aber die Gestalten wurden immer kleiner. So merk würdig fern und unpersönlich, wie in einem halb vergessenen Traum. Wie Strichmännchen. Auf einem gefalteten Blatt Papier: Zwei Strichmännchen, eins, das stand, und eins, das lag. Die stehende Figur war ein Mann, groß und bedrohlich. Sein Gesicht war leer, abgesehen von zwei Punktaugen und einem Mund mit herabgezogenen Mundwinkeln. Ein böser Mann. Ein gewalttäti ger Mann. Die liegende Figur war ein Mädchen. Eline hatte zwei Rundungen auf den Oberkörper gemalt, Brüste. Die Beine des Mädchens waren gespreizt und überall war es rot. Blut.
Und Nick erinnerte sich, was Eline gesagt hatte: Das ist nichts, was passiert ist . Es ist etwas, was passieren wird. Er schüttelte sich. Ihm war kalt und er war müde. Er stand völlig neben sich. Um ein Haar hätte er Werner getötet. Jetzt hatte er stattdessen Synnøve Viksveen umgebracht … Genau wie auf der Zeich nung. Genau wie Eline es vorausgesagt hatte.
Der versteckte CD-Player begann die Songs wieder von vorn zu spielen, vielleicht war er auf Autorepeat eingestellt. Pink Floyd floss aus der Decke und den Wänden, saß in ihm, spielte mit ihm, während er langsam wieder zu sich kam und bemerkte, dass er vornübergebeugt dastand und in Synnøve Viksveens blutiges, lebloses Gesicht starrte.
Hello.
Is there anybody in there?
Just nod if you can hear me.
Is there anybody home?
Plötzlich, mitten im September: ein heißer Tag.
Ein verliebtes Paar geht in den Wald zum „See“, wie ihn alle nennen, obwohl es eigentlich nur ein zugewachsener Teich ist.
„Sollen wir baden?“, fragt er.
„Es sieht schrecklich kalt aus“, sagt sie.
„Ach, Unsinn.“
„Ich habe kein Badezeug dabei.“
„Wir gehen einfach nackt.“
„Red keinen Quatsch.“
„Außer uns ist hier doch niemand“, lacht er.
„Ich weiß nicht“, flüstert sie.
Sie hat keinen BH an, und der Stringtanga, den sie trägt, ist geradezu winzig.
Der Junge zieht sich rasch aus. Er trägt weite Boxershorts. Genauso gut hätte er die Hose anbehalten können. Er gibt ei gentlich nichts von sich preis.
Er läuft los und taucht mit einem Hechtsprung ins Wasser ein. Ein paar Sekunden ist er unter Wasser, dann schießt er hoch und wirft den Kopf zurück. Sein Hals und seine Schultern sind kräftig. Das Wasser perlt durch die Luft, er ist braun ge brannt und seine Zähne glänzen weiß.
Er sieht schrecklich gut aus!
„Los, komm!“, ruft er. „Es ist total schön!“
Sie wendet ihm den Rücken zu, streift sich das Top über den Kopf und bedeckt ihre Brüste mit einer Hand. Dann dreht sie sich wieder um und schlüpft aus dem Minirock, sodass er ihren Hintern nicht sehen kann, wenigstens jetzt noch nicht.
Langsam watet sie ins Wasser. Die Handfläche bedeckt die eine, der Unterarm die andere Brust. Sie drückt fest. Die Schau spielerinnen im Film machen es auch immer so. Meistens quillt dann oben und unten ein bisschen raus, vielleicht kann er also doch was sehen. Jedenfalls starrt er sie an. Mit großen Augen.
Sie bereut es. Und wie sie es bereut!
Auf dem Grund liegen Steine, kleine harte und große glatte. Es ist schwierig, mit einer Hand an den Körper gepresst zu ba lancieren. Sie rutscht auf einem großen Kiesel aus und rudert mit beiden Armen, um nicht hinzufallen.
Ihm steht der Mund offen.
Als sie das Gleichgewicht wiederfindet, bedeckt sie ihre Brüste schnell. Verdammter Mist!
Unsicher stakst sie weiter, bis ihr das Wasser an die Ober schenkel reicht. Dann taucht sie unter.
Sie kneift die Augen zusammen. Sie spürt die Tropfen im Ge sicht und wie sich das Wasser um ihren Hals schließt. Ein paar Sekunden bekommt sie keine Luft, fast so, als hielte sie jemand im Würgegriff und würde das Leben aus ihr herausquetschen.
Sie schlingt sich die Arme um die Schultern und klappert mit den Zähnen.
Mit einem Kopfsprung taucht er unter.
Als er wieder hochkommt, holt er tief Luft, dann lacht er, und schließlich drückt er sie ganz eng an sich und küsst sie, als gäbe es sonst nichts auf der Welt.
Der Kuss ist lang und intensiv.
Ohne es zu bemerken, haben sie sich ein Stück weiter in den See bewegt. Hier ist es tiefer. Obwohl sie aufrecht steht, reicht ihr das Wasser bis zu den Schulterblättern. Sie mag das nicht. Sie hat Wasser noch nie gemocht.
Er merkt, dass sie zögert.
„Komm, wir gehen wieder raus“,
Weitere Kostenlose Bücher