Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
Schein der Neonröhren auf.
Er spuckte die Zigarette aus und fragte mit rauer, drohender Stimme: „Also … wer will zuerst?“
4
Nick schrak auf. Sein Atem ging schnell, der Kopf glühte. Er sah auf die runde Uhr, die über Elines Schreibtisch hing. Shit. Er war eingeschlafen, jetzt musste er sich beeilen.
Er beugte sich über Eline und legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie war nicht mehr heiß, das Fieber war weg.
Sie öffnete die Augen und lächelte. „Hi.“
„Hallo.“ Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Wie geht es dir?“
„Ganz gut.“ Sie nickte. „Aber dir nicht, oder?“
„Nein.“ Er hatte keine Ruhe gefunden, seit er und Nora die Leiche im See entdeckt hatten. Eine Art Rastlosigkeit hatte ihn erfasst. Wegen des Revolvers im See. Wegen Katie. Wegen Nora.
Bald war alles vorbei, es war nur eine Frage der Zeit. Über den Revolver würden sie ihn aufspüren. Zwar hatte er einen anderen Nachnamen als damals, aber das würden sie herausfinden. In ein oder zwei Tagen, vielleicht auch erst in einer Woche, wenn er Glück hatte. Oder möglicherweise sogar schon heute …?
Es würde ihm alles um die Ohren fliegen. Boom. Ach, du dachtest, du könntest dich verstecken? Hast du geglaubt, du würdest einfach so davonkommen?
„Ich bin früh aufgestanden“, sagte er. „Wollte dir ein bisschen Gesellschaft leisten. Bin wohl eingeschlafen.“
Blass und dünn lag Eline in den Kissen. Sie hatte die Decke bis zum Kinn hinaufgezogen. Ihre Augen waren unnatürlich groß und so hellblau, dass sie fast durchsichtig schienen. Er fand, dass sie aussah wie ein zartes Blümchen, das langsam verblühte.
„Ist heute die Beerdigung?“, fragte sie.
„Hm?“ Überrascht schaute er sie an.
„Die Beerdigung“, sagte sie. „Ist die heute?“
„Ja“, antwortete er.
Er wurde ungern an den Tod erinnert. Nicht hier in ihrem Zimmer, nicht von ihr. Sie sollte nicht an solche Sachen denken und dabei in ihrem weißen Bettzeug verschwinden – sie sollte endlich wieder lachen.
„Ich glaube, Werner will noch mal den Arzt anrufen“, sagte er.
„Oh nein“, seufzte sie. „Muss das sein?“
„Du bist nicht fit.“
„Aber ich will nicht, dass der Arzt kommt.“
„Wir müssen doch rausfinden, was du hast.“
„Aber nicht der“, sagte Eline. „Ich will ihn nicht hier haben.“
„Ach, Eline.“ Nick strich ihr erneut über die Stirn. „Mach keinen Quatsch. Klar muss er vorbeikommen. Du willst doch wieder gesund werden.“
„Mir geht es schon viel besser“, wandte sie ein.
„Ja, aber …“
„Morgen bin ich bestimmt wieder gesund“, sagte sie. „Oder übermorgen. Das geht ganz schnell. Ich habe auch schon gar keine Kopfschmerzen mehr!“
Nick lächelte und stand auf. „Ich muss los. Werner und Sigrid sind unten. Ruh dich aus und mach es dir gemütlich, ja?“
Er ging ins Bad und putzte Zähne, dann fuhr er sich mit den Händen durch das dichte, dunkle Haar. Er zog ein frisches weißes T-Shirt an und darüber das graue Jackett. Er strich es glatt. Er kam sich schäbig vor, wie ein Außenseiter. Bestimmt würde er auffallen, wie ein Penner bei einem Galadinner. Aber er hatte nicht so viele Klamotten. Am besten hielt er sich ganz im Hintergrund.
5
Eine Ewigkeit davor guckte Trine auf die Uhr. Sie war früh dran. Es war ihr lieber, ein bisschen Zeit zu haben, Stress konnte sie nicht leiden.
Sie zog sich an und dachte dabei an Vilde. Sie hatten es ausgesprochen, beide. Ich liebe dich . Nicht: Ich hab dich lieb. Sondern: Ich liebe dich.
Beim ersten Mal war es ihr noch schwer über die Lippen gekommen, aber dann war es immer leichter gegangen und sie hatten sich geküsst und es wieder und wieder gesagt.
Es würde jeder erfahren, das hatte sie eingesehen. Sie und Vilde. Oder, vielleicht würde es auch nicht unbedingt jeder erfahren, aber es würde wohl so sein, dass eine Menge Leute sich denken konnten, dass zwischen ihnen etwas lief.
Vielleicht …? Meinst du …? Doch, findest du nicht, dass sie irgendwie komisch sind …? Hast du sie zusammen gesehen, oder was ?
Nur Nora wusste wirklich von ihnen. Vilde hatte es ihr erzählt und Nora hatte es sportlich genommen. Sie war nur ein bisschen rot geworden, ein bisschen verlegen eben, obwohl es ja gar nichts gab, das ihr peinlich sein musste. Aber nach ein paar Tagen hatte sich das gelegt.
Manchmal, wenn sie miteinander sprachen und nebeneinander zur Schule gingen, vergaß Trine, dass Nora eingeweiht war. Sie vergaß, dass es überhaupt ein
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