DARKNET
erstklassig ausgestatteten Wohnanhängern oder Wohnmobilen. Ein wirtschaftlicher Hurrikan war durchs Leben dieser Menschen gefegt, und sie standen immer noch unter Schock.
Ein
blühendes Geschäft sah Ross allerdings aus den Trümmern der Konsumkultur erwachsen. Mehrere schwerbewaffnete Männer standen auf einem Container-Lkw, während Händler in der offenen Hecktür mit Flüchtlingen feilschten. Ein Banner an der Seite des Lkws besagte: ANKAUF VON UHREN UND SCHMUCK . Das hatte Ross in jeder Zeltstadt gesehen – Abzocker, die Wertgegenstände abschöpften, um sie nach Asien zu verkaufen, wo sich das echte Geld befand. Dinge, die die Transportkosten wert waren.
Unterdessen landete das sperrige Zeug – die Plasmafernseher und Möbel – auf Haufen, billig an Verwerter verscherbelt, die es ausschlachteten, um Metall, Holz und Alttextilien weiterzuverkaufen. Es bildeten sich bereits Müllberge, die teilweise brannten.
Endlich erreichte Ross das Areal einer Darknet-Klinik. Dort schwebte eine Ansammlung von Callouts im D-Raum. Er suchte sie ab, und plötzlich blinkte das Callout seiner Zielperson auf – eines Level-2-Gärtners namens Hank_19.
Gleich darauf sah Ross vor sich einen wettergegerbten, robust aussehenden Mann in den Vierzigern, der eine Baseballkappe, Jeans und Arbeitshemd trug. Er ließ gerade von einem dreißig Jahre alten Transporter Kisten in die emporgestreckten Arme von Klinikmitarbeitern herab.
Ross winkte, und Hank_19 winkte zurück.
«Gilt es noch, dass Sie nach Greeley weiterfahren?»
«Ja, sobald wir das Material hier abgeladen haben.»
«Ich bin sehr froh über die Mitfahrgelegenheit. Durch die Benzinknappheit ist es schwer geworden, irgendwohin zu kommen.» Ross beteiligte sich am Abladen, und nach wenigen Minuten war die Ladefläche leer. Hank_19 wischte sich die Stirn und sprang vom Transporter. «Verdammt heiß.» Er streckte Ross die schwielige Hand hin. «Henry Fossen. Nennen Sie mich Hank.»
Ross schüttelte die dargebotene Hand. «Sie haben’s wohl nicht so mit Darknet-Namen.»
«Meinen Namen hat mir mein Vater gegeben, und ich gedenke ihn auch zu benutzen. Ich hätte mir ja als Darknet-Namen einfach ‹Hank› ausgesucht, aber achtzehn andere waren schneller als ich. Haben Sie auch einen richtigen Namen?»
«Jon.»
«Okay, Jon Ohne-Nachnamen.» Er blickte zu Ross’ Callout empor. «Ich vermute mal, ein Level-14-Schurke muss Geheimnisse haben. Was zum Teufel macht überhaupt ein ‹Schurke› im Darknet?» Er knallte die Klappe des Transporters zu. «Ich dachte immer, ‹Schurken› wären die Bösen.»
Ross lachte. «Im Darknet sind wir eher so was wie Kundschafter. Wir schleusen uns in Systeme und Anlagen ein und spüren Bedrohungen für das Darknet auf. Agieren ungesehen und so.»
«Oh,
Aufklärung
.»
«So könnte man’s nennen.»
«Mein Sohn ist in einem Aufklärungsbataillon in Übersee.»
«Ich hoffe, er kommt wohlbehalten zurück.»
«Ich auch. Und außerdem hoffe ich, dass wir vorher diesen Wirtschaftsschlamassel in den Griff kriegen.» Er sah wieder zu Ross’ Callout hoch. «Na ja, Sie haben da viereinhalb Sterne auf einer Basis von dreitausend – heißt ja wohl, dass Sie irgendwas Rechtes tun. Steigen Sie ein.»
Fossen pfiff zwei jüngeren Männern, die AR -15-Sturmgewehre mit Zielfernrohren vor dem Körper hielten. Sie trugen taktische Ausrüstung und Körperpanzerung – Level-4-Kämpfer mit skandinavisch klingenden Darknet-Namen. Aus der Unterhaltung mit einer jungen Krankenschwester der Sanitätsstation gerissen, nickten sie Fossen zu, eilten herbei und schwangen sich auf die Ladefläche.
Ross stieg mit vorn ein, und schon manövrierte Fossen den alten Ford Transporter durch das Gedränge der Zeltstadt.
Ross deutete auf den Wagen. «Biodiesel?»
«Nein. Dimethylether. In Greeley spalten sie mit Windturbinenstrom Wasser und machen aus dem Wasserstoff mit irgendwas Kohlenwasserstoffe. Ergibt einen ganz guten Kraftstoff. Ganz versteh ich’s immer noch nicht. Bis vor ein paar Monaten wusste ich nicht mal, dass so was überhaupt geht.»
Ross nickte. «Und diese Wächter … rechnen Sie mit Problemen?»
Fossen schüttelte den Kopf. «Nein. Die Stadtverwaltung schreibt eine bewaffnete Eskorte vor, wenn man nach Des Moines will. Gibt jede Menge verzweifelte Leute hier draußen. Aber da rechts drüben ist eine Rekrutierungsstation des Darknet. Das wird den Leuten hoffentlich in den nächsten paar Monaten wieder Boden unter den Füßen
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