DARKNET
zu Fuß vorrücken und dann wieder per Hubschrauber ausgeflogen werden. Sie haben Leute gehängt. Häuser niedergebrannt. Im Fernsehen hört man dann am nächsten Tag, dass gewaltsame Gang-Auseinandersetzungen dahinterstecken. Senatoren rufen schon nach dem Kriegsrecht. Und nach Polizei-Checkpoints.»
«Woher wissen Sie das alles?»
«Ich habe ihre Bewegungen die letzten Monate verfolgt.»
Fossen sah Ross von der Seite an. «Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?»
Ross zeigte auf Fossens Callout. «Sie sind erst seit kurzem im Darknet.»
«Ja. Meine Tochter hat mich dazu gebracht. Sie ist ganz schön auf Draht.»
«Sie haben eine Farm?»
«In der fünften Generation – jetzt allerdings eher einen ‹Gartenbaubetrieb›. Meine Tochter hat bei uns ganz schön viele Neuerungen eingeführt. Sie sollten mal vorbeikommen und sich das anschauen.»
«Gern.»
«Jenna steigt im Holon von Greeley richtig schnell auf. Sie leitet jetzt zwei Projekte – eine Initiative für Biodiversität und ein Bildungsprogramm.»
«Da sind Sie bestimmt stolz.»
«Auf meine beiden Kinder bin ich stolz. Allmählich kriegt unser Leben wieder einen Sinn. Ich hoffe nur, wir bringen noch andere Leute rechtzeitig dazu, sich dem neuen Wirtschaftssystem anzuschließen.»
Fossen bog auf eine Landstraße ab, und bald schon tauchten sie in ein wahres Meer von grünen Maispflanzen ein, das sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckte. Auf dieser Straße war es in dem alten Transporter noch lauter, also betrachtete Ross nur schweigend die vorbeiziehende Landschaft.
Ab und zu kamen sie durch eine ziemlich armselige, kleine Ortschaft. Ross erkannte die Orte immer schon von weitem – nicht an den Kirchtürmen, sondern an den Silos – jener unausbleiblichen Reihe dreißig bis fünfzig Meter hoher Betonröhren, die wie Raketenstationen am Ende der Hauptstraße aufragten.
Zwischen den Ortschaften passierten sie etliche verlassene Farmhäuser, die allmählich verfielen. Holzschindelwände waren völlig überwuchert und am Zusammenbrechen.
Ross überschrie den Motor: «Das sieht alles nicht frisch verlassen aus. Wieso stehen diese ganzen Häuser leer?»
Foss beugte sich zu ihm. «Geht schon Jahrzehnte so. Die Farmen mussten immer größer werden oder aufgeben. Marktkräfte. Die Einwohnerzahl dieses Countys ist in den letzten fünfzehn Jahren etwa um ein Drittel gesunken. Aber jetzt wächst sie wieder.»
Er bremste und bog auf eine schnurgerade Schotterstraße ab. Sie fuhren jetzt langsamer, und es war wesentlich leichter, sich zu unterhalten.
«Sehen gesund aus, die Felder.»
Fossen winkte ab. «Diese Pflanzen haben mit Landwirtschaft so viel zu tun wie ein Gewichtheber auf Steroiden mit körperlicher Fitness. Sehen Sie, da?» Er zeigte auf Plastikschildchen, die alle zehn Meter am Feldrain neben der Straße standen. Die Schildchen erstreckten sich bis in weite Ferne, und auf allen war ein stilisiertes grünes Blatt, von dessen Spitze ein Tautropfen fiel. Unter dem Logo stand in fetter serifenloser Schrift HALPERIN ORGANIX – MITROVEN 336 . Die Bildchen hatten etwas Fröhliches, Gesundes. «Das sind alles Klone, auf maximale Körnerproduktion designt. Wissen Sie, von den Agrarpflanzensorten, die vor hundert Jahren in diesem Land angebaut wurden, sind inzwischen achtundneunzig Prozent ausgestorben.
Das da ist nur eine grüne Wüste. Hier draußen würde man verhungern. Dieser Mais ist nicht essbar – er besteht nur aus Stärke; man muss ihn erst in einem industriellen Magen mit Säuren und Chemikalien verdauen, um ihn in Nahrungsmittelzusätze zu zerlegen. Wir haben hier Mais, so weit das Auge reicht, und können uns nicht mal selbst ernähren.»
«Das ist ja wohl so gewollt.»
Fossen nickte. «Verdammt richtig erkannt. In den 1890er Jahren hat das Big Business die Farmer auch schon aufs Kreuz gelegt, und damals hat mein Großvater sich das auch nicht gefallen lassen. Es gab einen Aufstand. Man würde es vielleicht nicht denken, aber es waren immer die Farmer, die in diesem Land Krach geschlagen haben. Sie haben für sich selbst gearbeitet, waren autark und haben sich von keinem was bieten lassen. Aber dann ist irgend so ein schlauer Dreckskerl draufgekommen, wie man es hinkriegen kann, dass Feldfrüchte nicht mehr essbar sind. Meine Familie hat vierzig Jahre lang Landwirtschaft im industriellen Stil betrieben, und alles, was das produziert hat, waren Schulden, Umweltverschmutzung und Wasserknappheit. Das ruiniert den Boden und
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