Darkons Tod
uns bemerkt. Sieh, sie holen die Segel ein«, rief Boozam.
Tatsächlich verlor die fliegende Stadt an Fahrt. Wenige Augenblicke später hing sie fast regungslos über der Ebene, keine zehn Schritt mehr entfernt.
Jemand öffnete den Notausstieg im unteren Teil des Bugs. Eine Strickleiter wurde herabgelassen. Mythor wartete, bis Boozam die hölzernen Sprossen hinaufhangelte und folgte dann wesentlich langsamer. Wie im Traum stolperte er die Treppe zur Brücke hinauf.
Gerrek war der erste, der ihm auf die Schultern klopfte. »Wir glaubten schon, wir würden euch nie wiedersehen.«
Schwer stützte Mythor sich auf den Steuertisch. »Wir hatten nicht vor, in dieser unwirtlichen Gegend zu bleiben. Im Gegenteil. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden, ehe die Dämonen angreifen.«
»Dann bleibt uns nur die Wahl, den Todesstern anzufliegen«, sagte Gerrek. »In seinem Bannkreis sind wir vorerst sicher.«
»Wie lange werden wir brauchen?«
»Eine Stunde, schätze ich. Der Todesstern dürfte im Augenblick bereits das Dach der Schattenzone wieder verlassen.«
»Gut. Dann bringt Boozam und mir einstweilen zu essen. Und jedem einen Humpen Bier, falls noch etwas davon an Bord ist. Ich denke, wir haben uns eine Stärkung verdient.«
Steinmann Sadagar nickte. Das Lächeln auf seinen Zügen wirkte eingefroren, doch das fiel Mythor vorerst noch nicht auf.
*
Carlumen glitt durch ein Meer von Nebel. Nur hoch über der Stadt wölbte sich manchmal ein schwarzer, sternenübersäter Himmel.
»Ich freue mich, Mythor, daß du wieder bei uns bist«, raunten die Lebenskristalle auf der Brücke. Caerylls uralter Körper war deutlich zu erkennen. »Ich will nie mehr so einsam sein, wie ich es lange Zeit über war.«
Der Sohn des Kometen sah überrascht von seinem Essen auf.
»Wie meinst du das, Caeryll: ›einsam‹?«
Aber der ehemalige Alptraumritter schwieg.
Mythor ließ seinen Blick schweifen. Da war Mokkuf, der Ibserer. Steinmann Sadagar stand neben dem Steuertisch und beobachtete die Bewegungen des Pendels über dem Siebenstern, und Gerrek stand an eignem der Augen des Widderkopfs und starrte unverwandt in die vorbeitreibenden Nebelschwaden hinaus.
Seufzend langte Mythor wieder nach der saftigen Keule, die er eben beiseite gelegt hatte. Aber noch während er genußvoll hineinbiß, blickte er sich erneut um.
»Wo ist Tertish?« fragte er kauend.
Niemand antwortete ihm. Alle taten, als hätten sie nichts gehört.
»He, Sadagar, wo steckt die Kriegsherrin? Es gibt einiges zu besprechen.«
Mythor warf Boozam einen überraschten Blick zu, aber der Aborgino ließ sich nicht im geringsten stören. Er aß mit einem regelrechten Wolfshunger.
Steinmann Sadagar wandte sich vom Steuertisch ab und wollte offensichtlich an Deck gehen.
Mythor schob sein Essen beiseite.
»Warte«, rief er. »Ich komme mit dir. Ich will wissen, wie es oben aussieht.«
»Aber…« Um Sadagars Mundwinkel zuckte es verhalten.
»Was ist los?« Der Sohn des Kometen reagierte ärgerlich. »Glaubt ihr, ich spüre nicht, daß jeder krampfhaft versucht, etwas vor mir zu verbergen. Also heraus mit der Sprache: Wo ist Tertish?«
»Sie ist nicht hier«, sagte der Steinmann.
»Wo, verdammt…?«
»Auf dem Todesstern.« Gerrek wandte sich um und machte einige Schritte auf Mythor zu. »Schon bald nachdem du mit Boozam verschwunden warst, sichteten wir Carlumen. Es gelang uns, die fliegende Stadt auf uns aufmerksam zu machen, und Tertish, nun, sie ist eben auf dem Todesstern geblieben.«
Mythor seufzte schwer.
»Warum tut ihr, als wäre das das größte Geheimnis? Ich will auch auf den Todesstern, um Fronja zu holen. Selbst wenn das gegen den Willen der Götter wäre. Ich will sie bei mir in Gorgan haben. Schließlich kann ich sie gerade jetzt nicht allein lassen, wo sie das Kind bekommt.«
Gerrek zuckte kurz zusammen. Sadagar machte ein noch betreteneres Gesicht als ohnehin schon. Nur Mokkuf zeigte sich unberührt.
»Wissen es etwa schon alle an Bord?«
»Naja«, machte Gerrek.
»Nur ich bin also der Dumme, der zuletzt davon erfährt.« Mythor schlug seine Fäuste gegeneinander und begann eine unruhige Wanderung.
»Wann ist es soweit?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Gerrek.
»Und Heeva? Frage sie. Wenn jemand eine Antwort hat, dann sie.«
»Ich, äh…«
»Wo ist Heeva überhaupt? Und wo steckt Lankohr?«
»Sie sind auch auf dem Todesstern«, sagte Sadagar.
Mythor stutzte zwar, schwieg aber und blickte hinaus in die Düsternis
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