Darkover 02 - Herrin der Stuerme
Erleichterung sank ihr Geist ins Dunkel, in die Stille, ins Nichts …
»Ai! Sie ist ein wenig ungestüm«, sagte die Amme, die behutsam das sich sträubende Kind hielt. »Du mußt sie beruhigen, Domna, bevor ich ihr Leben von dem ihrer Mutter trenne, sonst wird sie sich wehren und zuviel Blut verlieren – aber sie ist eine kräftige, gesunde Frau!« Margali beugte sich über den kreischenden Säugling. Das Gesicht war dunkelrot, verzerrt in einem Aufschrei voller Wildheit; die Augen, zusammengekniffen und fast geschlossen, waren von strahlendem Blau. Der runde, kleine Kopf war von dichtem rotem Flaum bedeckt. Margali legte ihre mageren Hände auf den nackten Körper des Säuglings und stimmte eine beruhigende Melodie an. Unter ihrer Berührung beruhigte sich das Kind ein wenig und stellte den Kampf ein; die Hebamme trennte die Nabelschnur und band sie ab. Aber als die Frau den Säugling nahm und in eine warme Decke wickelte, begann er wieder zu kreischen und zu strampeln. Erschreckt die Hand zurückziehend, legte sie ihn nieder.
»Ai! Evanda sei gnädig, sie ist eine von denen! Nun, wenn es groß ist, braucht sich das kleine Mädchen vor Räubern nicht zu fürchten, wenn es schon jetzt mit Laran zuschlagen kann. Ich habe bei einem so kleinen Kind noch nie davon gehört!«
»Du hast sie erschreckt«, sagte Margali. Aber als sie das Kind nahm, schwand ihr Lächeln. Wie alle Damen Deonaras hatte auch sie die anmutige Aliciane geliebt. »Armes Kind, eine so liebevolle Mutter zu verlieren, und so früh.«
Mikhail von Aldaran, das Gesicht in großem Schmerz verzerrt, kniete neben dem Körper der Frau, die er geliebt hatte, nieder. »Aliciane! Aliciane, meine Liebste«, sagte er. Dann hob er den Kopf. Sein Gesicht zeigte Bitterkeit. Deonara hatte Margali den in eine Decke gewickelten Säugling abgenommen und hielt ihn mit dem Heißhunger verhinderter Mutterschaft an ihre schmächtige Brust gepreßt.
»Du bist nicht unzufrieden darüber, Deonara – daß keiner mit dir wetteifern wird, diesem Kind Mutter zu sein, nicht wahr?«
»Solche Worte sind deiner nicht würdig, Mikhail«, erwiderte Deonara, Alicianes Kind eng an sich drückend. »Ich habe Aliciane geliebt. Möchtest du, daß ich ihr Kind jetzt von mir weise? Kann ich meine Liebe nicht am besten dadurch zeigen, daß ich es so liebevoll aufziehe, als sei es mein eigenes? Sonst nimm sie, mein Gatte, bis du eine andere Geliebte findest.« So sehr sie sich auch mühte – Lady Aldaran konnte die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht zurückhalten. »Sie ist dein einziges Kind. Und wenn sie jetzt schon Laran besitzt, wird sie viel Fürsorge brauchen. Meine armen Babys haben nicht einmal so lange gelebt.« Sie legte das Kind in Dom Mikhails Arme, der es mit unendlicher Zärtlichkeit und Sorge ansah.
Maryas Fluch hallte in seinem Kopf wider: Du wirst keine andere in dein Bett nehmen … Deine Lenden werden leer sein wie ein vom Winter getöter Baum. Als teile sich sein Entsetzen dem Säugling in seinen Armen mit, begann dieser erneut zu strampeln und zu schreien. Hinter dem Fenster tobte der Sturm.
Dom Mikhail schaute in das Gesicht seiner Tochter. Dem kinderlosen Mann erschien sie unendlich kostbar; und das würde sie um so mehr sein, falls der Fluch sich bewahrheiten sollte. Steif lag sie in seinem Arm und schrie. Ihr kleines Gesicht war verzerrt, als versuche sie, die winzigen rosa Fäuste voll Zorn geballt, die Wut des Sturms zu übertreffen. Er konnte in ihrem Gesicht schon ein verschwommenes Miniaturbild Alicianes erkennen – die geschwungenen Brauen, die hohen Wangenknochen, die Augen von strahlendem Blau, der Flaum aus rotem Haar.
»Aliciane starb, um mir dieses große Geschenk zu machen. Sollen wir dem Kind zur Erinnerung den Namen seiner Mutter geben?« Deonara schreckte zurück. »Willst du deiner einzigen Tochter den Namen einer Toten verleihen, mein Fürst? Du solltest einen suchen, der besseres verheißt!«
»Wie du wünschst. Gib ihr einen Namen, der dir gefällt, Domna.« Zögernd sagte Deonara: »Ich wollte unsere erste Tochter Dorilys nennen, hätte sie lange genug gelebt, um einen Namen zu bekommen. Sie soll diesen Namen tragen, als Zeichen dafür, daß ich ihr eine Mutter sein werde.« Sie berührte die rosige Wange des Kindes mit dem Finger. »Wie gefällt dir dieser Name, kleine Frau? Schau – sie schläft. Sie ist vom vielen Schreien erschöpft …«
Hinter den Fenstern verebbte der Sturm und erstarb, und kein Geräusch war zu hören, außer dem
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