Darkover 03 - Herrin der Falken
riß das große zentrale Zelt ab, vor dem das Hastur-Banner geflattert hatte, und kreuz und quer zwischen den Zeltreihen herrschte Betrieb. Romilly ließ Sonnenstern bei Jandria und den anderen, die gekommen waren, um ihr mit dem Hengst zu helfen, und eilte zu der Unterkunft der Vogelpfleger. Ruyven hantierte dort mit den Blocks herum, die für die Kundschaftervögel auf Packtieren befestigt werden sollten. Die Chervines mochten den Aasgeruch nicht, der den Vögeln anhaftete. Sie stampften nervös, gaben kurze, schnaubende Laute von sich und schlugen mit den Hufen.
»Es sieht ganz so aus«, bemerkte Romilly, »als werde die Armee nach Süden marschieren und ich mit euch kommen.«
Ruyven nickte. »Ich allein kann nicht für drei Vögel sorgen und sie fliegen lassen, und innerhalb von hundert Meilen gibt es sonst keinen Menschen, der für den Umgang mit Kundschaftervögeln qualifiziert ist – ausgenommen, Gott helfe uns, diejenigen, die sich unter Rakhals Pfadfindern oder bei seiner Vorhut befinden mögen. Aus Hali kam die Nachricht, daß Rakhal seine Truppen unter Lyondri Hastur zusammenzieht. Wenn er den Weg einschlägt, den wir vermuten und das wird in gewissem Ausmaß davon abhängen, wie gut du und ich die Augen unserer Vögel benutzen –, werden wir nahe Neskaya in den Kilghardbergen auf ihn treffen. Lord Orain hat übrigens gefragt, ob wir die Vögel heute auflassen und versuchen könnten, etwas auszuspähen.«
»Und wenn Orain spricht, nimmt natürlich die ganze Armee Hab-acht-Stellung ein«, bemerkte Romilly trocken. Ruyven starrte sie an.
»Was ist los mit dir, Romy? Lord Orain ist ein guter und freundlicher Mann und Carolins erster Ratgeber und Freund! Magst du ihn nicht? Und aus welchem Grund?«
Das brachte Romilly zur Einsicht. Es war nichts als verwundete Eitelkeit. Solange er sie für einen Jungen hielt, hatte Orain sie bewundert und ihr vertraut. Als er entdeckte, daß sie eine Frau war, ging das alles in Scherben, und sie war nichts mehr als eine Null, irgendeine Frau, unter Umständen eine Gefahr für ihn.
Nun, das war Orains Problem, nicht das ihre. Sie hatte nichts getan, womit sie verdient hätte, rücksichtslos seiner Zuneigung beraubt zu werden. Und er verliert dadurch. Nicht ich.
Sie sagte ruhig: »Ich schätze Orains gute Eigenschaften mehr als du weißt; ich bin viele Monde lang mit ihm geritten und habe eng mit ihm zusammengearbeitet. Allerdings finde ich, er sollte nicht auf mich herabsehen, nur weil ich eine Frau bin. Ich habe bewiesen, daß ich meine Arbeit ebensogut und geschickt wie jeder Mann tun kann.«
»Daran besteht kein Zweifel, Romy.« Ruyven sprach so beschwichtigend, daß Romilly sich fragte, wieviel von ihrem heimlichen Zorn sich in ihrem Gesicht gezeigt haben mochte. »Aber Orain liebt keine Frauen, und er hat nie Unterricht in einem Turm gehabt. Wir in Tramontana wissen, daß zwischen der Kraft eines Mannes und der einer Frau letzten Endes kein großer Unterschied besteht. Wir sind der erste Turm, der in einem unserer Kreise mit einer Frau als Bewahrerin experimentiert hat, und kein Mann könnte es besser machen, auch ein Hastur nicht. Auch du würdest durch eine solche Ausbildung gewinnen.«
»Das habe ich früher auch gedacht«, gab Romilly zu. »Heute weiß ich, was mein Laran, meine Gabe ist. Vater muß diese Gabe ebenfalls besitzen, sonst könnte er Pferde nicht so trainieren, wie er es tut, und ich habe sie von ihm geerbt.«
»Ich würde mich nicht zu schnell gegen eine Ausbildung in einem Turm entscheiden«, gab Ruyven zu bedenken. »Als ich noch in Nevarsin war, glaubte ich, mein Laran zu beherrschen. Dann entdeckte ich, daß ich zwar an der vorderen Front des Kampfes mit mir selbst die Stellung gehalten, dafür aber Festungen in meinem Rücken unverteidigt gelassen hatte, und dadurch wäre ich beinahe besiegt worden.«
Romilly machte eine ungeduldige Handbewegung. Die kriegerische Symbolik kam ihr weit hergeholt und unnötig vor. »Wenn wir die Vögel auflassen sollen, ist es Zeit, anzufangen. Schließlich hat Lord Orain den Befehl gegeben, und Carolins ersten Ratgeber dürfen wir nicht warten lassen.«
Ruyven schien gegen ihren Sarkasmus protestieren zu wollen, schwieg jedoch seufzend. In seiner schwarzen Kutte sah er ganz wie ein Mönch aus, und sein schmales Gesicht hatte den weltabgewandten, unbeweglichen Ausdruck, den Romilly mit den Brüdern von Nevarsin verband. »Sie werden uns holen kommen, wenn sie uns brauchen. Willst du nachsehen, ob
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