Darkover 03 - Herrin der Falken
kenne?“
»Es tut mir leid, ich habe die Regeln nicht aufgestellt und kann sie nicht außer Kraft setzen«, sagte Jandria, »aber du hast geschworen, ihnen zu gehorchen.«
Kochend vor Zorn ging Romilly mit Jandria zum Abendessen und zu Bett in das Zelt, das dem Dutzend Frauen der Schwesternschaft in Carolins Armee zur Verfügung gestellt worden war. Sie fand Clea dort zusammen mit einer fremden Frau aus einem anderen Haus. Diese beiden sollten Carolins Männer im unbewaffneten Kampf unterrichten. Die übrigen kannte Romilly nur flüchtig; sie waren im Haus einquartiert gewesen, gehörten ihm aber nicht an. Es waren Pferdehändlerinnen, Zahlmeisterinnen und Lagerverwalterinnen. Eine, eine kleine, stämmige dunkle Frau, die den vertrauten Bergdialekt der Hellers sprach, war Schmiedin mit Sehnen wie Peitschen-schnüre an den Armen und schwellenden Muskeln über Rükken und Schultern, die sie fast wie einen Mann aussehen ließen.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß ihre Tugend in Gefahr geriete, und wenn sie nackt zwischen hundert fremden Soldaten schliefe. Sie sieht aus, als könne sie sich, wie die Hali’imyn hier sagen, gegen alle Schmiede in Zandrus Höllen verteidigen!
Und dann dachte sie traurig, daß sie mehr Freiheit gehabt hatte, als sie in Männerkleidung mit Orain und Carlo — Carolin — und einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen durch die Hellers gereist war. Sie hatte mit den Männern gearbeitet, war allein in die Stadt gegangen, hatte in Kneipen getrunken. Nun wurden ihre Bewegungen auf das beschränkt, was die Regeln der Schwesternschaft als geeignet zur Vermeidung von Klatsch und Störungen ansahen. Nicht einmal als freie Schwertfrau war sie frei.
Immer noch etwas grollend, machte sie sich zum Schlafengehen fertig. Wieder kam ihr der Gedanke: Wie beengt war sogar das Leben dieser freien Frauen! Sie liebte Jandria, und mit ihr konnte sie offen sprechen, ohne erst ihre Gedanken zu zensieren. Doch sogar für Jandria war die Frage wichtig, was die Soldaten denken mochten, wenn die Schwertfrauen sich nicht ebenso damenhaft und vorschriftsmäßig benahmen wie irgendeine heiratsfähige Jungfrau in den Hellers! Auch für Clea empfand sie Achtung und echte Zuneigung Ansonsten hatte
sie immer noch nur wenige Freundinnen in der Schwesternschaft. Und als ich zu ihnen kam, meinte ich, endlich die Freiheit gefunden zu haben, ich selbst zu sein und trotzdem auf eine Verkleidung verzichten und als Frau auftreten zu können. Ich möchte kein Mann unter Männern sein und verbergen, was ich bin. Aber an der Gesellschaft von Frauen liegt mir auch nicht viel – nicht einmal an der von Schwertfrauen. Warum kann ich nie zufrieden sein, wo ich auch bin?
Wenigstens tat sie eine Arbeit, für die sie geeignet war, und wenn ein Mann sie belästigen sollte, brauchte sie sich vor ihm nicht zu fürchten, wie sie sich vor Rory gefürchtet hatte. Und der König selbst hatte ihr ein Kompliment über ihre Arbeit mit den Pferden gemacht. Bevor sie in ihren Schlafsack stieg, sandte sie verschlafen ihre Gedanken aus und stellte den Kontakt mit Sonnenstern her. Das hatte sie während des Jahres im Haus der Schwesternschaft jeden Abend getan. Ja, er war da und zufrieden. König Carolin würde gewiß gut zu ihm sein, würde seine Intelligenz, seine wunderbare Schnelligkeit, seine Schönheit anerkennen. Sie griff ein wenig weiter hinaus und suchte die Kundschaftervögel auf ihren Blocks. Ja, auch sie fühlten sich wohl, und wenn etwas passierte, schlief wenigstens Ruyven neben ihnen, was ein richtiger Falkenmeister tun sollte. Romilly seufzte und schlief ein.
Am nächsten Morgen kehrte sie zu dem Zelt der Vogelpfleger zurück. Zusammen mit Ruyvens Lehrling, einem etwa vierzehnjährigen Jungen namens Garen, machte sie sich daran, die Vögel zu atzen. Als sie die verbundene Stelle an Temperentias Ständer untersuchte, spürte sie die Anwesenheit eines Unbekannten. Die Bestätigung kam einen Augenblick später durch das hohe Kreischen der Vögel, mit dem sie ihr Unbehagen kundzutun pflegten, wenn sich ihnen ein Fremder näherte. Es war ein junger Offizier in einem grün-goldenen Umhang. Sein Haar war von einem hellen Rotblond, sein Gesicht schmal und empfindsam.
»Seid Ihr der Falkenmeister?«
»Sehe ich so aus?« fuhr Romilly ihn an. »Schwertfrau Romilly, para servirte, Carolins Falkenmeisterin.«
»Verzeiht mir, mestra, ich wollte Euch nicht beleidigen. Ich bin Ranald Ridenow, und ich bringe Befehle von Seiner
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