Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
habe.«
»Himmlische Götter.« Coryn senkte traurig den Kopf, und sein Haar verdeckte sein Gesicht. »Eine solche Liebe verdiene ich nicht.«
»Komm zu mir, Coryn. Komm zu mir durchs Feuer.«
»Das geht nicht. Das Feuer… es wird durch mich gebändigt, damit es kein Unheil anrichtet. Ich darf es nicht freigeben oder zulassen, dass es erneut in der materiellen Welt wütet.«
Das ist also die Überwelt, dachte Taniquel. Türme erscheinen durch bloße Gedankenkraft, Entfernungen schrumpfen auf Befehl zusammen. Tote spazieren herum und gehen ihren eigenen Angelegenheiten nach. Alles ist möglich. Entfernungen spielen keine Rolle, nur die Liebe allein zählt.
»Dann lass einen Teil von dir hier«, schlug sie vor. »Hauptsache, alles Übrige kommt mit mir.«
»Aber es ist mein Laran, das die Flammen in Schach hält.«
Taniquel war kurz davor, mit dem Fuß aufzustampfen und Coryn anzubrüllen, dass ihr sein Laran herzlich gleichgültig war.
Andere hatten Taniquels Laran für mangelhaft befunden und sie anschließend nur noch nach ihrer adligen Herkunft und ihren Verbündeten beurteilt. Erst Coryns Liebe hatte ihr einen eigenen Wert verliehen.
»Dann lässt du dein Laran eben hier zurück«, erwiderte sie. »Ich mache mir genauso wenig daraus wie aus meinem Königreich.«
Coryn zögerte. Vielleicht dachte er darüber nach, ob sie es ernst meinte. Seine Zweifel verursachten ihr eine Gänsehaut. Für einen Laranzu seines Ranges musste das eine ungeheuer quälende Entscheidung sein. Wer war er denn ohne seine Gabe? Wie sollte er leben? Was sollte er in Zukunft tun?
Doch je länger Coryn schwieg, desto deutlicher erkannte Taniquel, dass für ihn noch mehr auf dem Spiel stand. Für ihn ging es um die Aussicht, fortan blind und taub weiterzuleben, in einer Welt ohne Farbe und Geschmack. Sie konnte ihm diese Entscheidung nicht abnehmen, ganz gleich, wie sehr sie ihn liebte. Sie hatte die Folgen nicht bedacht. Vielleicht war sie mit ihrer Forderung zu weit gegangen.
Trotzdem hatte sie die Frage gestellt, hatte sich mehr von ihrem Herzen leiten lassen als von kühler Vernunft. Etwas anderes konnte sie Coryn nicht geben.
Die lodernden Flammen teilten sich. Ein Mann trat heraus, eine Gestalt aus Feuer, Fleisch und Blut. Das Feuer erlosch, und der Mann sackte leichenblass in ihren Armen zusammen.
44
Taniquel blieb den ganzen Herbst über in Neskaya, ebenso wie Coryn, als Gast im Haus eines der wohlhabenderen Bürger, bis die sinkenden Nachttemperaturen einen frühen Winter ankündigten. Sie hielt sich ohnehin schon viel zu lange hier auf. Aus Acosta war die Nachricht gekommen, dass die Eroberer nach einer kurzen Belagerung kapituliert hatten. Taniquel wurde dort dringend gebraucht. Julian befand sich noch immer in der Burg ihres Onkels. Dort war er zwar in Sicherheit, wuchs jedoch ohne seine Mutter auf. Wenn sie an den Kleinen dachte, blutete Taniquel das Herz. Manchmal, um Mitternacht, wandte sie den Blick nach Thendara. Dann kam es ihr vor, als würde sie auseinander gerissen, gleichzeitig in drei verschiedene Richtungen. Doch dann betrachtete sie wieder den schlafenden Coryn, auf dessen Gesicht die noch verbliebenen blauen Feuerlohen einen hellen Lichterschein warfen, und wusste, dass sie die einzig richtige Entscheidung getroffen hatte.
Coryn würde noch eine ganze Zeit lang nicht reisefähig sein.
Nachdem er in der Überwelt in ihren Armen zusammengebrochen war, war sie neben seinem physischen Körper aufgewacht, der allmählich das Bewusstsein wiedererlangte. Trotzdem war er noch viele Zehntage lang immer wieder in Bewusstlosigkeit versunken. Jedes Mal, wenn er zu sich kam, konnten Demiana und ihre Helfer die Zahl der Brandwunden verringern und seine zerstörten Energie-Kanäle weiter stärken. Oft reichte die Kraft des Kranken gerade zum Essen, Meditieren und für ein paar leichte körperliche Übungen aus. Demiana hatte ihm kategorisch verboten, Neskaya zu verlassen, solange noch eine einzige Brandwunde zu sehen war. Nun musste Taniquel akzeptieren, dass er erst zur Schneeschmelze im Frühjahr reisefertig wäre, aber so lange konnte sie nicht warten.
Als Taniquel eines Tages neben dem schlummernden Coryn in ihrem gemeinsamen Zimmer saß und als Vorbereitung für die Reise nach Acosta die Vorratslisten durchging, erregte ein Tumult im unteren Stockwerk ihre Aufmerksamkeit. In die aufgeregten Rufe der jungen Tochter ihres Gastgebers mischten sich Männerstimmen. Die Worte konnte Taniquel nicht verstehen, doch
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