Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
großzügig sein.
Aus Tagen wurden Wochen, und die klaffende Wunde von Lianes Abwesenheit begann allmählich zu heilen. Zwei pubertierende Jünglinge aus Rockraven, Zwillinge mit karottenrotem Haar, trafen mit viel Trara ein. Sie waren jünger als gewöhnliche Novizen, doch wegen ihrer Zwillingsbande hatte ihre Mutter, die als junge Frau einige Zeit in dem Turm verbracht hatte, beschlossen, dass sie schon früh eine Ausbildung erfahren sollten.
Das Mittwinterfest kam, zusammen mit einem Schneesturm, der jede Art von Reise unmöglich machte. Bis auf einige Gerüchte, die sie per Relais vom Turm von Neskaya erreichten, war nichts mehr von König Damian oder seinen neu eroberten Ländern zu hören. Coryn sagte sich, dass es ihnen sicher nicht verborgen bliebe, wenn sich etwas Größeres - ein Aufstand oder ein Attentat - ereignete. In den langen Winternächten musste er, wenn er nicht gerade arbeitete, ständig an Liane, an Eddard und Tessa denken, Geiseln in ihrem eigenen Haus. Er fragte sich auch, ob Petro und Margarida noch lebten. Er war überzeugt, dass er es wahrnehmen würde, wenn sie tot wären, aber er konnte keinen von ihnen ausfindig machen. Vielleicht hatten sie eine Möglichkeit gefunden, sich gegen Laran-Suche abzuschirmen, eine kluge Vorsichtsmaßnahme, wenn Rumail im Spiel war.
Die Arbeit brachte segensreiche Erleichterung, und Coryns Fähigkeiten nahmen immer mehr zu. In dieser Zeit fand er eine unerwartete Vertraute in Bronwyn. Von allen älteren Arbeitern verstand allein sie die widerstreitenden Verpflichtungen von Blut und Turm. Sie sprach nie von ihrer eigenen Familie oder darüber, warum sie im Turm geblieben war, wo doch so viele andere adlig geborene Frauen schon nach wenigen Jahren fortgerufen wurden.
Laut einiger Gerüchte sollte sie mit dem mächtigen Hastur-Clan verwandt sein und auf Grund ihres Ranges schon mehr als ein Heiratsangebot ausgeschlagen haben. Coryn wandte sich mit seinen Sorgen und Nöten, die nicht weichen wollten, egal wie lange oder tief er meditierte, an Bronwyn.
Würden schon bald die Armeen von Ambervale vor Tramontanas Toren eintreffen und seine Herausgabe fordern, um Verdanta besser im Griff zu haben?
»Ich will den Turm nicht verlassen«, sagte er zu Bronwyn, als sie zusammen in ihren Gemächern saßen, Becher mit heißem Gewürzwein in den Händen, während der Wind vor den Mauern heulte wie verhungernde Banshees. »Ich fühle mich hier wohl. Für diese Arbeit bin ich geboren, nicht für die Herrschaft über irgendein kleines Gebirgsanwesen, und sei es noch so zauberhaft.«
»Ich glaube, du hast Recht«, sagte sie langsam. Ihre Gedanken drangen mit der Lieblichkeit klingender Silberglöckchen in seinen Geist ein. »Schon als du zu uns kamst, wussten wir, dass du ein Laranzu mit großer Macht werden würdest. Die Bewahrer haben gesehen, wie geschickt du dich beim Aufbau der Schirme angestellt hast.«
Sie meinte die Errichtung einer Matrix sechster Ordnung, die den ganzen Winter lang ein großes Turmprojekt dargestellt hatte.
Eine der jüngeren Frauen war bei der Berechnung ihres Zyklus leichtsinnig gewesen. Durch den wechselnden Hormonspiegel war ihr die Kontrolle entglitten. Coryn hatte seinen eigenen Zugriff auf die Energon-Ringe verstärkt, die Position der Frau übernommen und die Ringe stabilisiert, bis Kieran den Kreis wieder aufbauen konnte. Durch diese eine Instinkthandlung war eine monatelange Arbeit gerettet worden. Wie Kieran anschließend sagte… Coryn allein hätte die Schirme nicht retten können, aber niemand sonst hätte tun können, was er tat.
»Solange du ein Techniker bleibst, den die Außenwelt für entbehrlich hält, bist du für König Damian eine politische Gefahr.
Sollte sich eine freie Stelle auftun wie durch den Tod deines Bruders, könntest du in die Außenwelt zurückkehren und Anspruch auf Verdanta erheben. Jedenfalls könnte Damian dieser Meinung sein. Dass er bisher nicht nach dir schickte und sich deiner versicherte, spricht für das gute Betragen deines Bruders.«
Bronwyn hielt inne und starrte auf das Feuer, bevor sie in ernsterem Ton fortfuhr: »Ich glaube nicht, dass er Verdanta besetzen will. Er will es halten, aber nicht regieren. Ein Trittstein - nur wohin?« Sie schüttelte sich, eine kleine Geste wie ein Schauder.
»Ach, das wird jetzt wohl keine große Rolle spielen. Müßige Überlegungen sind eine Gewohnheit, die ich einfach nicht ablegen kann. Aber was dich angeht, mein junger Coryn, wenn du dich einem Turm
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