Darkover 09 - An den Feuern von Hastur
könnte darauf schwören. Manchmal weiß ich nicht einmal mehr, ob ich angesichts der Zeiten, die anbrechen werden, überhaupt noch nach Dalereuth gehen möchte.«
»Was meinst du?« Lorill erschrak, und das zu Recht. Leonie hatte bisher nie zugelassen, daß sich irgendwelche Bedenken ihrem Wunsch, in einen Turm zu gehen, in den Weg stellten. Sie hatte rücksichtslos jeden Vorschlag abgewiesen, vielleicht einen anderen Weg für ihre Zukunft zu wählen. Sie hatte sogar die Hand des Königs abgelehnt, alles in dem Bestreben, eine leronis zu werden.
»Ich wünschte, das könnte ich dir sagen.« Sie zog die Brauen zusammen, versuchte, sich zu konzentrieren. »Wenn ich eine voll ausgebildete leronis wäre, nicht nur eine Novizin.« Sie verstummte, als entschlüpften ihr die Worte, mit denen sie hätte formulieren können, was sie wußte. Aber es mangelte ihr nicht an Worten, sondern an der Fähigkeit, ihre Vorahnungen auf etwas mehr als bloße Gefühle zu verdichten, die sich verflüchtigten wie der Morgennebel und ebenso schwer zu fangen waren.
Lorill wirkte nachdenklich. »Was es auch sein mag, ich wünschte, ich könnte deine Vorahnungen teilen. Du weißt jedoch, was mir gesagt wurde, als ich meine Matrix erhielt.« Gedankenverloren befühlte seine Linke den seidenen Beutel an seinem Hals. »Bei Zwillingen hat der eine mehr, der andere weniger als den normalen Anteil an Laran . Ich brauche dir nicht zu erzählen, wie sich die Gabe zwischen uns beiden aufteilt. Zweifellos wirst du dein Laran besser nutzen als ich das meine.«
Leonie wußte, was er meinte. Es war ganz gut, daß Lorill das schwächere Laran besaß, denn heutzutage würde es, auch wenn Frieden im Land herrschte, einem männlichen Hastur nicht erlaubt werden, einen so vom Leben zurückgezogenen Beruf wie den eines Matrix-Arbeiters zu ergreifen, es sei denn, er stellte etwas so Überflüssiges dar wie einen siebten Sohn. Es war unvermeidlich, daß Lorill seinen Platz am Hof neben seinem Vater einnahm, und ob ihm das paßte oder nicht, spielte kaum eine Rolle. Leonie würde auf ihre Weise weit mehr Freiheit erfahren als er, wenn sie erst einmal voll ausgebildet war. Sie würde wählen können, wohin sie ging, und allein das Ausmaß ihres Laran zog die Grenzen für ihr Streben nach dem höchsten Ziel - Bewahrerin zu werden.
»Was ist es, das du siehst, Schwester?« Lorills Stimme war leise, dunkel von Befürchtungen.
»Nicht mehr, als ich dir gesagt habe.« Leonie seufzte und drehte ihm wieder das Gesicht zu. »Gefahr und Veränderung und Möglichkeit kommen auf uns zu - von den Monden. Ist das nicht genug?«
»Das kann ich unmöglich unserem Vater oder dem Rat vortragen«, protestierte Lorill. »Wenn ich nicht mehr zu bieten habe als ein vages Vorgefühl und von den Monden rede, wird man denken, ich hätte getrunken wie - was hast du vorhin über Derik gesagt? - wie ein Mönch zu Mittwinter.«
»So ist es«, stimmte Leonie betrübt zu. »Aber was kann ich tun?«
»Wenn du mehr Informationen für mich hättest… « regte er vorsichtig an. Es war eigentlich nicht richtig, daß er ein unausgebildetes Mädchen aufforderte, ohne Anleitung nach Erleuchtung zu suchen. Besonders gefährlich war das bei einer Hastur, denn die Hastur-Gabe war die Kraft der lebenden Matrix. Wenn Leonie sie in vollem Ausmaß besaß, würde sie keinen Matrix-Kristall brauchen, um sich in Schwierigkeiten zu bringen, aus denen nur eine Bewahrerin sie wieder herausholen konnte. Aber Leonie war daran gewöhnt, auf ihre eigene Weise vorzugehen - und Lorill war an ihre bemerkenswerte Fähigkeit gewöhnt, so gut wie alles zu schaffen, was sie sich in den Kopf setzte.
Leonie runzelte die Stirn, aber mehr aus Verzweiflung als aus Mißbilligung. »Ich will es versuchen«, versprach sie dann. »Ich werde mein Bestes tun. Vielleicht gelingt es mir, etwas Bestimmteres zu sehen - etwas, das wir benutzen können, um Vater zu überzeugen.«
Lorill überließ sie ihrer einsamen Meditation. Leonie löschte die Laterne, zog sich aber nicht aus, sondern lauschte statt dessen auf die sie umgebenden Geräusche des Lagers. Geduldig wartete sie darauf, daß der letzte Gardist in seinen Schlafsack kroch.
Sie brauchte nicht lange zu warten. Alle waren die Kälte und den Regen so leid, daß sie nur zu gern die Wärme der Decken suchten. Sobald Leonie den Eindruck hatte, daß sie sich für die Nacht zurückgezogen hatten, abgesehen von dem einen Posten,
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