Darkover 17 - Die blutige Sonne
Frau unter dem weitfaltigen Mantel sehr bewußt, und er senkte den Kopf, damit sie die Röte nicht sah, die ihm ins Gesicht schoß.
Gleich hinter dem Schleier, auf der Innentreppe, blieb sie plötzlich stehen und schlug die Augen zu ihm auf. Sie sagte ruhig: »Es tut mir leid. Ich hatte vergessen - bitte, glaub mir, ich habe das nicht absichtlich getan. Ich hatte vergessen, daß du… daß du noch nicht imstande sein würdest, dich abzuschirmen, wenn ich dir nicht willkommen war.«
Er sah sie mit verlegenem Gesicht an und konnte es kaum fassen, daß sie diese merkwürdigen Phantasien geschaffen und auf ihn übertragen hatte. In dem Versuch, höflich zu sein, stammelte er: »Es macht nichts.«
»Doch!« widersprach sie zornig. »Du verstehst nicht. Ich hatte vergessen, wie du es auffassen würdest, und das ist nicht das, was einer von uns darunter verstanden hätte.« Wieder lagen ihre Gedanken offen vor ihm. Es war ein Schock für ihn, ihre unverhüllt sexuelle Begierde zu erkennen, jetzt nicht mehr maskiert durch den Symbolismus der Falkenjagd. Kerwin geriet in äußerste Verlegenheit. Mit leiser, harter Stimme erklärte sie: »Ich habe es dir gesagt, du verstehst es nicht. Ich hätte das erst tun dürfen, wenn du gelernt hattest, deine Barrieren entsprechend geschlossen zu halten, und das waren sie nicht. Für einen unserer Männer würde die Tatsache, daß du es akzeptiertest und - und teiltest - mehr bedeuten als für dich. Es ist meine Schuld, es geschieht manchmal nach einem Rapport. Du kannst nichts dafür, Kerwin; es verpflichtet dich zu gar nichts. Mach dir keine Gedanken, ich weiß, du willst nicht… « Sie holte tief Atem und sah ihm gerade ins Gesicht, und er spürte ihren Zorn und ihre Frustration.
Kerwin, der immer noch erst halb verstanden hatte, sagte nervös: »Neyrissa, bitte, entschuldige, es war nicht meine Absicht, dich zu… beleidigen oder… zu verletzen...«
»Das weiß ich, verdammt sollst du sein!« stieß sie wütend hervor. »Ich sage dir doch: Es passiert manchmal. Ich bin seit so vielen Jahren Überwacherin, daß ich weiß, ich bin verantwortlich dafür. Ich habe die Stärke deiner Barrieren falsch eingeschätzt, das ist alles! Hör auf, eine große Sache daraus zu machen, und beherrsche dich, damit nicht ganz Arilinn das mitbekommt! Ich kann damit fertig werden, du kannst es nicht, und Elorie ist jung. Ich will nicht, daß sie durch diesen Unsinn gestört wird!«
Die Erkenntnis, daß die anderen Telepathen seine Phantasien, seine Begierden auffangen konnten, war wie ein plötzlicher Guß Eiswasser, der alles ertränkte… Kerwin fühlte sich nackt und zur Schau gestellt, und Neyrissas Zorn fuhr wie ein roter Blitz durch den anbrandenden Schock. Noch nie hatte sich Kerwin so geschämt. Er stotterte eine ungeschickte Entschuldigung, floh die Treppe hinauf und suchte Zuflucht in seinem eigenen Zimmer. Er war sich immer noch nicht ganz klar darüber, was geschehen war, aber es raubte ihm die Ruhe.
Langes Nachdenken brachte ihn zu dem Schluß, daß das Verbergen von Emotionen in einer Telepathen-Gruppe unmöglich war. Als er wieder mit den anderen zusammentraf, machte er sich große Sorgen, seine peinliche Unfähigkeit, die eigenen Gedanken abzublocken, könne den zwanglosen Umgangston stören. Aber keiner sprach davon oder schien auch nur daran zu denken. Kerwin begann, ein bißchen zu verstehen, was es hieß, selbst die geheimsten Gedanken vor einer Gruppe von Außenseitern offenzulegen. Ihm war, als habe man ihn in aller Öffentlichkeit nackt ausgezogen. Aber er sagte sich, daß wahrscheinlich noch keiner der anderen ohne einen Gedanken, dessen er sich schämte, durchs Leben gegangen war, und daß er sich einfach daran gewöhnen müsse.
Und wenigstens wußte er jetzt, daß es keinen Sinn hatte, Neyrissa etwas vorzumachen. Sie kannte ihn durch und durch. Sie war als Überwacherin tief in seinen Körper eingedrungen und nun auch in seinen Geist und hatte die Stellen gesehen, die er lieber vor ihr verborgen hätte. Und immer noch akzeptierte sie ihn. Es war ein gutes Gefühl. Paradoxerweise gefiel sie ihm nicht besser als vorher, aber jetzt wußte er, daß es darauf nicht ankam. Sie hatten etwas geteilt und es verarbeitet.
Kerwin war etwa vierzig Tage in Arilinn, als ihm wieder einfiel, daß er noch nichts von der Stadt gesehen hatte. So fragte er eines Morgens Kennard - er war sich nicht sicher, welchen Status er hier hatte - ob er einen
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