Darkover 18 - Hasturs Erbe
beugte sich nach vorn, drückte für eine Sekunde die Lippen auf die Stirn des Alten und flüsterte: »Ruhe in Frieden, mein Lord. Heiliger Bürdenträger, gib uns die Stärke, deinen Verlust zu ertragen.« Dann wandte sie sich ruhig ab und beugte sich über die weinende Thyra.
»Er ist jenseits von Vergeben oder Vorwurf, Liebling. Quäle dich nicht so. Wir, die Lebenden, müssen es nun auf uns nehmen. Komm hier weg. Liebes, komm hier fort.«
Thyra brach in entsetzliches Schluchzen aus und ließ sich von Marjorie aus dem Zimmer geleiten. Ich blickte hinab auf das ruhige, beherrschte Gesicht. Einen Augenblick erschien es mir, als läge hier mein eigener Vater. Ich bückte mich und küßte die kalte Stirn, wie es Marjorie zuvor getan hatte.
Dann sagte ich zu Beltran: »Ich habe ihn nur kurze Zeit gekannt. Es bedeutet für mich einen großen Verlust, daß ich nicht eher hierhergekommen bin.« Ich umarmte meinen Vetter, preßte Wange gegen Wange und fühlte, wie sich mein Kummer mit seinem Schmerz vermischte. Beltran wandte sich bleich und gefaßt ab, als Regis das Zimmer betrat; Danilo folgte auf den Fersen. Regis sprach einen kurzen, förmlichen Kondolenzsatz und streckte die Hand aus. Beltran verbeugte sich, sprach jedoch kein Wort. Hatte sein Kummer seine Höflichkeit ausgelöscht? Er hätte Regis als seinen Gast willkommen heißen müssen. Irgendwie wurde mir unbehaglich, weil er es unterließ. Danilo schlug wie Marjorie zuvor über dem Kopf des alten Mannes das Cristoforo -Zeichen und flüsterte, wie ich vermutete, eines ihrer Gebete und verbeugte sich dann förmlich vor Beltran.
Ich folgte ihnen nach draußen. Regis sah aus, als habe er gleich mir eine Nacht voller Alpträume hinter sich, und war vollständig gegen mich abgeschirmt - etwas Neues und sehr Beunruhigendes. Er sagte: »Er war dein Verwandter, Lew. Es tut mir leid für dich. Und ich weiß, daß mein Großvater ihn respektiert hat. Es trifft sich gut, daß einer von den Hasturs da ist, um unsere Beileidsbekundungen zu überbringen. Jetzt wird sich hier in den Bergen einiges ändern.«
Das war auch mein Gedanke gewesen. Der Anblick von Regis, der fast automatisch seinen Platz als offizieller Vertreter der Comyn einnahm, beunruhigte mich. Ich wußte, daß sein Großvater es begrüßt hätte, aber mich überraschte es.
»Er hat mir kurz vor seinem Tod gesagt, Regis, daß er auf den Tag hoffe, an dem du und Beltran an einem Tisch zusammen eine bessere Zukunft für die Welt planen würdet.«
Regis lächelte ausdruckslos. »Das wird wohl Prinz Derik zustehen. Die Hasturs sind zur Zeit nicht die Könige.«
Ich gab ihm ein skeptisches Lächeln. »Aber sie stehen dem Thron am nächsten. Ich habe keinen Zweifel, daß dich Derik zu seinem engsten Berater machen wird, so wie seine Verwandten deinen Großvater wählten.«
»Wenn du mich liebst, Lew, dann wünsche mir keine Krone«, sagte Regis mit einem ablehnenden Schaudern. »Aber genug der Politik. Ich werde natürlich bis zum Begräbnis bleiben. Ich bin Beltran gegenüber zwar nicht verpflichtet, aber ich möchte auch nicht das Totenbett seines Vaters beleidigen.«
Wenn Kermiacs überraschender Tod Regis' unmittelbare Abreise verzögerte, müßte ich auch in aller Ehrfurcht mein Ultimatum gegenüber Beltran verlängern. Jetzt erwartete ich davon weniger Probleme, da er den bitteren Geschmack der Gefahren der Sharra-Matrix geschmeckt hatte. Kadarin würde sich als weniger zugänglich erweisen. Doch vertraute ich auf seine Vernunft und seine Zuneigung zu uns allen.
Und so sprach in den Tagen der Trauer um den alten Lord von Aldaran niemand von Sharra oder Beltrans Plänen. Während dieser Tage konnte ich mich vor der Erinnerung und der Angst abschließen. Nur in entsetzlichen Träumen kehrten sie zurück und umkrallten mich mit Höllenqualen…
Die Begräbniszeremonien waren vorüber. Einer nach dem anderen reisten die Lords aus den Bergen, die gekommen waren, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen und Beltran ihrer Unterstützung zu versichern, wieder ab. Beltran vermittelte den Eindruck ernster Würde. Unbewegt nahm er ihre Schwüre von Freundschaft und Unterstützung entgegen, doch spürte ich bei all diesen Menschen aus dem Gebirge ein Bewußtsein, daß eine Aera unwiderruflich ihr Ende gefunden hatte. Auch Beltran war sich dessen bewußt, und ich fühlte, es bestärkte seinen Entschluß, nicht friedlich den Weg zu gehen, den sein Vater vor ihm gegangen
Weitere Kostenlose Bücher