Darkover 18 - Hasturs Erbe
es einmal getan. Selbst Lew hatte diese Barriere nicht durchbrechen können.
Die Versuchung war fast unerträglich. Mit trockenem Mund blickte Regis zu dem schlafenden Jungen zu seinen Füßen. Wieder frei sein, dachte er, frei von dem allen.
Er hatte aber Danis Eid als ein Hastur entgegengenommen. Hatte seine Dienste und seine Liebe akzeptiert.
Er war nicht mehr frei. Er hatte es zu Danilo gesagt, und auch für ihn traf dies zu: Sie hatten keine Wahl. Es war über sie gekommen, und sie hatten nur die Möglichkeit, es zu mißbrauchen oder in Ehren damit fertig zu werden.
Regis wußte nicht, ob er in Ehren damit fertig werden konnte, doch er wußte, er würde es versuchen müssen. Ein Küken konnte nicht zurück ins Ei schlüpfen.
Jedenfalls lag die Hölle vor ihm.
20
(Lew Altons Erzählung)
Kurz nach Sonnenaufgang fiel ich in einen verkrampften Schlummer. Einige Zeit später weckte mich ein merkwürdiges Geräusch, Schreie von Frauen - nein, es war ein Heulen, ein Ton, den ich nur einmal zuvor gehört hatte… auf meiner Reise in den Hinterwald, in einem Haus, in dem der Tod war…
Ich warf mir ein paar Kleider über und rannte auf den Flur. Er war voller Menschen. Diener huschten hin und her. Keiner war bereit, anzuhalten und meine Fragen zu beantworten. Am Fuß der kleinen Treppe zum Turm traf ich Marjorie. Sie war so weiß wie ihr Hausgewand.
»Liebling, was ist los?«
»Ich weiß es nicht. Es ist die Totenklage!« Sie streckte eine Hand aus und zwang eine der vorbeieilenden Frauen zum Stehenbleiben. »Was ist los? Was soll das Klagen? Was ist geschehen?«
Die Frau rang nach Luft. »Es ist der alte Herr, Domna Marguerida . Euer Pate. Er ist heute Nacht gestorben… «
Sobald ich die Worte vernahm, merkte ich, daß ich sie erwartet hatte. Ich war betroffen und bekümmert. Selbst in so kurzer Zeit hatte ich meinen Onkel lieben gelernt, und über meinen persönlichen Kummer hinaus war ich bestürzt über die Bedeutung seines Todes. Nicht nur für die Domäne Aldaran, sondern für ganz Darkover. Er hatte lange und gut regiert.
»Thyra«, flüsterte Marjorie. »Evanda sei uns gnädig. Was wird sie tun. Wie wird sie leben können?« Sie umklammerte meinen Arm. »Er ist ihr Vater, Lew! Wußtest du das? Mein Vater hat sie anerkannt, doch sie war nicht von ihm. Und es war ihre Handlung, ihr Fehler, der ihn getötet hat!«
»Nicht ihrer«, sagte ich sanft. »Sharras.« Ich hatte zu glauben begonnen, daß wir vor ihr alle hilflos waren. Morgen - nein, heute, je eher, desto besser - würde ich sie dem Schmiedevolk zurückgeben. Desideria hatte recht gehabt: Bei ihnen hatte sie sicher gelegen. Sie hätte dort bleiben sollen. Ich quälte mich mit dem Gedanken, was Beltran wohl dazu sagen würde. Aber Kadarin hatte Desideria versprochen, es meinem Urteil zu überlassen.
Zunächst mußte ich dem Totenzimmer einen Besuch abstatten und meinem Stammesbruder die letzte Ehre erweisen. Der hohe Klageton der Todesrufe drang heraus und zerrte an meinen ohnehin nur noch fadendünnen Nerven. Marjorie umklammerte verzweifelt meine Finger. Als wir den großen Raum betraten, hörte ich Thyras Stimme in einen Schrei ausbrechen: »Hört mit diesem heidnischen Gejaule auf! Ich will das hier nicht haben!«
Ein paar Frauen brachen mitten in ihrem Klagelied ab. Andere hörten unentschlossen auf, um aufs neue zu beginnen. Beltrans Stimme klang wie ein harter Schrei: »Du, die du ihn umgebracht hast, Thyra, willst du ihm den angemessenen Respekt verweigern?«
Sie stand am Fußende des Bettes. Den Kopf hatte sie trotzig zurückgeworfen. Sie klang, als sei sie am äußersten Ende ihrer Duldsamkeit angelangt. »Du abergläubischer Idiot! Glaubst du wirklich, sein Geist sei hiergeblieben, um sich, über seinem Leichnam schwebend, das Gejammere anzuhören? Ist das deine Vorstellung von angemessenen Trauertönen?«
Beltran sagte leicht besänftigt. »Angemessener vielleicht als dieser Streit, Pflegeschwester.« Er sah aus, wie man nach einer langen Nachtwache und einem Todesfall aussieht. Er machte eine Handbewegung in Richtung der Frauen. »Geht. Klagt anderswo weiter. Die Tage sind lange schon vorbei, wo man die Dämonen vom Totenbett fortklagen mußte.«
Man hatte Kermiac bereits ordentlich aufgebahrt. Die Hände lagen verschränkt über der Brust, die Augen waren geschlossen. Marjorie schlug über seiner Stirn das Cristoforo -Zeichen, dann vor ihrer eigenen. Sie
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