Darkover 18 - Hasturs Erbe
erweisen.«
Ich starrte ihn an. Javanne? Sie hatte mich nie gemocht, schon damals nicht, als wir zusammen zu den Kinderfesten gingen. Einmal wurden wir beide unbarmherzig geschlagen, weil wir uns getreten und gekratzt hatten, als wir sieben Jahre alt waren, und später, ungefähr mit elf, hatte sie es grob abgelehnt, mit mir zu tanzen, und gesagt, ich träte ihr auf die Füße.
Das habe ich wahrscheinlich auch getan, doch ich war bereits als Telepath gut genug, um zu erkennen, daß dies nicht der eigentliche Grund war. »Vater«, sagte ich geduldig, »ich bin ziemlich sicher, Lady Javanne kann auch ohne Komplimente von mir auskommen.« Hatte er den Verstand verloren?
Javanne stand in einem Kreis jüngerer Frauen und nippte an einem Glas Wein. Die Stimme meines Vaters klang bestimmter als gewöhnlich, als er mich vorstellte.
»Ich wünsche Euch ein fröhliches Fest, Vetter«, sagte sie mit einer höflichen Verbeugung. Nun, Gabriel und ich waren recht gut miteinander befreundet, und vielleicht hatte sie von ihrem Mann und ihrem Bruder erfahren, daß ich doch nicht so schlimm war. Zumindest redete sie zum ersten Mal mit mir wie mit einem menschlichen Wesen. Sie wandte sich einem der jüngeren Mädchen in ihrem Kreis zu. »Ich möchte dir eine deiner Verwandten vorstellen, Lew, Linnea Storn-Lanart.«
Linnea Storn-Lanart war sehr jung, gewiß nicht älter als Linnell, mit rötlichem Haar, das in weichen Locken um ein herzförmiges Gesicht fiel. Die Storns waren aus altem Bergadel in der Nähe von Aldaran, die sich vor Jahren mit den Lanarts und Leyniers verschwägert hatten. Was tat ein so junges Mädchen allein in Thendara?
Linnea schien zwar recht scheu zu sein, doch hob sie den Blick mit offener Neugier zu mir empor. Mädchen aus den Bergen, hatte mein Vater mir erzählt, pflegten nicht den übertriebenen Brauch der Ebene, wo ein direkter Blick ins Gesicht eines Fremden unmoralisch ist; daher betrachtet man in den Domänen diese Mädchen als zu herausfordernd. Sie sah mich einen Augenblick direkt an, lächelte, fing dann Javannes Blick auf, errötete tief und sah rasch hinab auf ihre Schuhspitzen. Ich vermute, Javanne hatte ihr ein paar Lektionen für anständiges Benehmen in den Domänen erteilt, und sie wollte nicht, daß man sie für eine Landpomeranze hielt.
Ich wußte nicht, was ich zu ihr sagen konnte. Sie war meine Verwandte oder wurde mir zumindest so vorgestellt, wenn auch die Verwandtschaft keine enge sein konnte. Vielleicht war es das. Javanne wollte hier tanzen und sich nicht um jüngere Verwandte kümmern, die noch nicht mit Fremden tanzen durften. Ich sagte: »Würdet Ihr mir die Ehre geben, mit Euch tanzen zu dürfen, Damisela? «
Schnell blickte sie Javanne um Erlaubnis an und nickte dann. Ich führte sie auf die Tanzfläche. Sie tanzte sehr gut und schien Spaß daran zu haben, doch ich wunderte mich immer noch, warum mein Vater so außerhalb aller Gewohnheit versuchte, Javanne das Leben leichter zu machen. Und warum hatte er mich so bedeutsam angesehen, als wir zur Tanzfläche gingen? Und warum hatte er sie als Verwandte vorgestellt, wenn der Verwandtschaftsgrad viel zu weitläufig war, um offiziell anerkannt zu werden? Als die Musik endete, war ich immer noch verdutzt.
Ich fragte offen heraus: »Was geht hier eigentlich vor?«
Sie vergaß die kurze Lektion in guten Manieren und sprudelte heraus: »Hat man es dir nicht erzählt? Mir haben sie es gesagt!« Dann überströmte wieder die plötzliche Röte ihr Gesicht. Sie sah so sehr hübsch aus, doch ich war nicht in der Stimmung, es schätzen zu können.
»Was gesagt?« fragte ich.
Ihre Wangen leuchteten wie rote Fahnen. Sie stammelte: »M-man hat nur gesagt… daß wir uns kennenlernen sollen… und… und… wenn wir uns mögen… dann könnte man… eine Heirat… « Mein Gesicht muß meine Gedanken verraten haben, denn sie brach ab und ließ den Satz im Raum hängen.
Verdammt! Wieder versuchten sie, sich in mein Leben einzumischen!
Das Mädchen hatte die grauen Augen weit aufgerissen. Der kindliche Mund zitterte. Ich kämpfte mit meiner Wut und schirmte meine Gedanken ab. Sie war offensichtlich sehr sensibel, zumindest eine Empathin, vielleicht auch eine Telepathin. Ich hoffte hilflos, sie würde nicht weinen. Es lag ja nicht an ihr. Ich konnte nur erahnen, wie man ihre Eltern bestochen oder bedroht hatte, wie man ihr selbst geschmeichelt und zugeredet hatte, auf eine gute Partie
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