Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
mehr als vierzig Jahre sein Gefährte gewesen war. Er berührte leicht die Stirn und strich über das weiße Haar, sein Blick war unendlich zärtlich. Dann beugte er sich hinab und küsste die bleiche Wange seines Herrn, bevor er sich vor Schmerz bebend abwandte.
Dani Hastur sah seinen Vater lange an, ein sehnsüchtiger Ausdruck stand in seinem Gesicht. Eine Weile blieb er wie betäubt auf dem Bett sitzen, dann endlich hob er das Laken vorsichtig an und zog es über Regis Hasturs friedvolles Gesicht.
Er erhob sich mit zitternden Knien, dann beherrschte er sich.
Er schloss Lady Linnea wieder in die Anne, und sie schien in seinem Griff zusammenzubrechen, als trügen ihre Beine sie zuletzt nicht mehr. Sie legte den Kopf an seine Schulter und weinte hemmungslos.
Die Einzelheiten der Szene blieben noch einige Sekunden deutlich vor Mikhails Augen stehen, bevor sie zu verschwimmen begannen, als regnete es. Er erkannte, dass die Tränen, die er zurückgehalten hatte, so lange er um das Leben seines Onkels kämpfte, sich nicht länger unterdrücken ließen. Überwältigt von der Macht seiner Gefühle drehte er sich abrupt um und verließ den Raum.
Mikhail saß in dem schäbigen Arbeitszimmer seines Onkels hinter dem großen Schreibtisch, an dem Regis oft seinen Regierungsaufgaben nachgegangen war, starrte in den Kamin und weinte. Der Teppich war ziemlich abgenutzt, aber Regis hatte sich geweigert, ihn ersetzen zu lassen oder sonst etwas an dem Raum zu verändern. Die Diener durften nur fegen und Staub wischen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, an die gutmütigen Streitereien zwischen seinem Onkel und Linnea über den Zustand des Zimmers zu denken – der Disput war stets fröhlich und liebevo ll gewesen.
Er war vor Stunden hierher gekommen, unfähig zu schlafen, zu denken, zu arbeiten, die Pflicht, das Leben fliehend. Es brannte kein Feuer im Kamin, deshalb war der Raum kalt, und die Luft war abgestanden. Er hatte eine Flasche Feuerwein auf dem Schreibtisch stehen und daneben einen Becher. Der Pegel in der Weinflasche war um einiges gesunken, seit er hier saß, aber das hatte seinen lähmenden Schmerz nicht eine Spur gemindert. Er war nicht einmal betrunken. So groß war die Macht von Varzils Matrix, dass er seine Sinne nicht betäuben konnte, wie sehr er es auch versuchte.
Undeutlich fühlte Mikhail das alltägliche Treiben auf Burg Comyn um sich herum. Nicht einmal der Tod Regis Hasturs hatte das gleichmäßige Funktionieren des riesigen Gebäudekomplexes ganz zum Erliegen bringen können. Er wusste, dass Donal Alar, sein junger Friedensmann und Neffe, vor der Tür des Arbeitszimmers stand, um ihm Ungestörtheit zu garantieren, obwohl der arme Donal sicherlich zum Umfallen müde war. Es war Margueridas Idee gewesen, den jungen Mann in Pflege zu nehmen, und er war inzwischen froh darüber. Donal und seine Schwester Alanna dem ängstlichen Griff von Ariel Lanart-Alar zu entreißen, war nicht leicht gewesen, aber Mikhail war überzeugt, dass es die beiden sehr wahrscheinlich vor dem Verrücktwerden bewahrte. Ariel war seit Alannas Geburt nicht mehr die Gleiche, was Mikhail zutiefst betrübte.
Irgendwo wusste er, dass Marguerida ihr Bestes tat, um alle Vorkehrungen zu treffen, die nun nötig waren. Es würde eine Begräbnisfeier geben müssen, aber erst, wenn alle Oberhäupter der einzelnen Domänen eingetroffen waren, und das würde wenigstens einige Tage dauern. Seine Eltern weilten noch in Armida, obwohl ihm klar war, dass er Javanne sofort hätte benachrichtigen sollen, als Regis erkrankte. Aber Lady Linnea, sonst die Sanftmütigkeit in Person, war diesmal unnachgiebig geblieben. »Ich kann es gerade ertragen, ihn in diesem Zustand zu sehen, Mikhail. Aber ich werde diese Frau nicht auf Burg Comyn dulden, solange es nicht sein muss.« Unter den gegebenen Umständen hatte er sich ihren Wünschen gebeugt.
Und mit einem leichten Schuldgefühl hatte er Linnea Recht gegeben. Seine Mutter war zu keiner Zeit einfach, und es wäre unerträglich gewesen, sie jetzt um sich zu haben.
Seine Gedanken wanderten zu Marguerida. Er wusste, sie war ebenso müde wie er selbst, und dennoch nahm sie die Mühen der Begräbnisvorbereitungen auf sich. Ein solches Ereignis hatte es seit Jahrzehnten nicht gegeben, und auch wenn ihr der Coridon von Burg Comyn sicher nach besten Kräften helfen würde, so war der Mann doch sehr alt und wahrscheinlich derart gramgebeugt, dass man ihn kaum gebrauchen konnte. Mikhail hätte es vorgezogen,
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