Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
riesige, nicht enden wollende Betäubung. Nach einigen Augenblicken des Nachdenkens jedoch kam ihm zu Bewusstsein, dass Regis tatsächlich wie ein Vater für ihn gewesen war und nicht nur ein Onkel. Eine Zeit lang hatte ihn das von Dom Gabriel, seinem richtigen Vater, entfremdet. Und jetzt erkannte er wie nie zuvor, dass auch der Alte einmal sterben und er einen weiteren Verlust erleiden würde. Und den von Lew, der ihm gegenübersaß und Feuerwein trank. Mikhail war Margueridas Vater in den letzten fünfzehn Jahren so nahe gekommen, dass er ihm ebenso teuer war wie Regis oder Dom Gabriel.
Gleichzeitig war da noch etwas, das ihn beunruhigte. Er versuchte sich die unstete Regung, die ihn quälte, bewusst zu machen. Es war Schuldgefühl, entschied er schließlich, doch warum er sich schuldig fühlen sollte, konnte er nicht auf Anhieb sagen. Hatte er auch wirklich alles unternommen? Gab es noch etwas, das er hätte tun können, um Regis« Leben zu verlängern?
Mikhail sah auf seine rechte Hand hinab, die nun wieder in einem Handschuh aus feinstem Leder steckte, da er keine Heiltätigkeit mehr verrichtete. Die große, glitzernde Matrix, die auf seinem Finger saß, war verborgen, aber er spürte stets ihre Gegenwart. Sie war so mächtig, dass es Momente gegeben hatte, in denen er sie am liebsten weggeworfen hätte, um diese Bürde los zu sein. Sie hatte ihn zur mächtigsten Person auf Darkover gemacht, zu mächtig für das Wohlergehen mancher Domänenherren wie Francisco Ridenow und sicherlich auch zu mächtig für den Seelenfrieden seiner Mutter Javanne. Darüber hinaus hatte sie ihn fünfzehn Jahre lang fast zu einem Gefangenen auf Burg Comyn gemacht, umgeben von Wächtern und Beobachtern, stets gewahr, dass alles, was er tat, verfolgt und beurteilt wurde. Man respektierte ihn, doch man fürchtete ihn auch, selbst sein Onkel, den er so geliebt hatte.
Und nun? Er würde Regis nachfolgen. Hatte er sich auf diesen Augenblick nicht sein ganzes Leben lang vorbereitet?
Warum fühlte es sich nur so falsch, so leer und beängstigend an? Er war nicht mehr der Junge, der einmal davon geträumt hatte, Darkover zu regieren, aber auch nicht der Mann, der dieses Ziel für eine Weile aufgegeben hatte. Er war ein anderer, und Mikhail fragte sich, ob er sich überhaupt kannte. Er wollte nicht länger darüber nachdenken. Er war zu müde für Selbsterforschung, und er hegte den Verdacht, dass er ohnehin einem bloßen Schwelgen in Selbstmitleid näher war.
Er zwang sich, nicht länger bei dem schmerzlichen Verlustgefühl zu verweilen, und suchte nach einem Gesprächsthema.
Schließlich sagte er: »Marguerida hat mir erzählt, dass Herm Aldaran eingetroffen ist. Was ist passiert?« »Ach, das.« Lew lächelte grimmig und langte nach der Weinflasche auf dem Schreibtisch. Sie war fast leer, und er goss die letzten Tropfen in seinen Becher. »Herm und seine Familie, um ge nau zu sein. Ich erfuhr erst Stunden vor seiner Ankunft, dass er unterwegs ist, und es schien mir nicht so wichtig, als müsste ich es dir sofort mitteilen. Du hattest genug am Hals, Mikhail. Wie es aussieht, wurde die gesamte Legislative auf Anordnung der Premierministerin aufgelöst, bis Neuwahlen abgehalten werden können. Meine Vermutung geht dahin, dass es keinen Kongress der Föderation mehr geben wird – nie mehr – oder wenn, dann wird man ihn mit Leuten besetzen, die ganz auf der Linie der Expansionisten sind. Angesichts der Geistesverfassung der Expansionisten war dieser Coup fast unvermeidlich, und ich befürchte, aus den Überresten der Föderation wird eine Militärdiktatur oder gar Schlimmeres hervorgehen.« Mikhails Gehirn war zu übermüdet, um vollständig zu begreifen, was Lew da sagte, deshalb konzentrierte er sich auf das, was er verstand. »Wahlen? Die Hälfte der Welten in der Föderation kann mit Demokratie nicht mehr anfangen als ein Esel mit Tanzschuhen.« Es war eine Wohltat für Mikhail, seine verbliebene Energie in Ungläubigkeit und Sorge über diese neue Entwicklung fließen lassen zu können, obwohl ihm vollkommen klar war, dass die Sache unabsehbare Folgen für Darkover haben würde. Aber mit diesen Befürchtungen würde er sich beschäftigen, wenn er wieder klarer denken konnte.
»Richtig, Mikhail. Viele der Senatoren und Abgeordneten wurden – so wie ich – von Königen, Gouverneuren und Oligarchen ernannt. Und diese ererbten oder durch Ernennung erlangten Positionen sind den Expansionisten schon lange ein Dorn im Auge, und nun haben sie
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