Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
Marguerida läge mit einem warmen Ziegel an den Füßen im Bett, aber wahrscheinlich lief sie herum und erledigte die Dinge, die er selbst hätte tun sollen. Er überlegte, um welche Aufgaben es sich handeln könnte, aber immer wieder überkamen ihn Kummer und Verzweiflung. Er war nicht bereit! Draußen war es dunkel, und sein Magen knurrte. Wie lange hatte er nichts gegessen? Mikhail erinnerte sich nicht, und obwohl sein Körper Nahrung brauchte, verspürte er keinen Appetit. Seine Augen waren geschwollen vom Weinen und Mangel an Schlaf, und die Schultermuskeln waren hart vor Anspannung. Die Kerzen brannten nicht, und er brachte nicht die Energie auf, sich zu erheben und sie anzuzünden.
Das Licht vom Flur warf einen hellen Streifen auf den Boden, als die Tür des Arbeitszimmers aufging und Lew Alton eintrat. Mikhail starrte seinen Schwiegervater sprachlos an, verärgert über die Störung und einen Moment lang wütend, weil Donal jemandem den Zutritt zu seinem Heiligtum gestattet hatte, auch wenn es sich um jemand Besonderen handelte.
Doch dann kam ihm zu Bewusstsein, dass dieses Zimmer mit dem ramponierten Schreibtisch und dem abgetretenen Teppich nicht sein Privatbereich war, sondern der von Regis. Der Raum war noch so erfüllt von der Gegenwart seines Onkels, dass es wehtat. Es schien ihm, als wäre das alles, was ihm von Regis geblieben war, und er war noch nicht bereit, es mit einem anderen zu teilen. Donal folgte Lew ins Zimmer, weil er selbst diesen höchst vertrauenswürdigen Ratgeber nicht mit seinem Herrn allein lassen wollte, und schloss die Tür. Dann lehnte er sich an den Türpfosten, verschränkte die Arme und bemühte sich, unsichtbar zu werden.
Lew sagte nichts, sondern nahm einen Feueranzünder und kniete sich vor den kalten Kamin. Es blitzte kurz auf, dann flackerte das Zündmaterial, das darin lag. Mikhail beobachtete, wie die Flammen an den Scheiten züngelten, sie umschlangen und mit Licht und Farbe auffraßen. Er sah, wie Lew einen brennenden Span aus dem Feuer nahm und die Kerzen anzuzünden begann. Der tröstliche Duft von heißem Wachs und brennendem Holz erfüllte den Raum.
Lew goss sich einen Becher Wein ein und nahm gegenüber von Mikhail am Schreibtisch Platz. Sein Haar war vollständig ergraut, Und die Narben in seinem Gesicht waren kaum zu sehen, weil sie völlig in den Falten und Furchen verschwanden.
Er war ein wettergegerbter Mann mit rauer, trockener Haut, und an diesem Abend sah er so alt aus, wie er war. Mikhail bemerkte die Röte um die Augen seines Schwiegervaters und wusste, er hatte geweint.
»Marguerida hat mich geschickt«, begann Lew, nachdem er seinen Becher halb ausgetrunken hatte.
»Bist du gekommen, um mir zu sagen, dass ich meine Trauer beiseite schieben und an meine Pflicht gegenüber Darkover denken muss?«, fuhr ihn Mikhail an, selbst überrascht von seiner Heftigkeit. Er spürte, wie er vor Verlegenheit rot wurde.
Donal regte sich an seinem Platz an der Tür und sah ihn merkwürdig an.
»Keineswegs! Von mir aus kannst du noch eine Woche im Dunkeln sitzen – ich hoffe allerdings, du tust es nicht. Aber deine Abwesenheit bereitet uns Sorge.« Mikhail zog den Kopf ein. »Ich könnte es einfach nicht ertragen, ihn aufgebahrt zu sehen – noch nicht. Ich stehe noch unter Schock.« »Dafür ist später noch genügend Zeit, Mikhail. Bis alle eingetroffen sind, bis die Bahre gebaut und aufgestellt ist, wird fast die ganze Woche vergehen. Und ich verstehe dich sehr gut, Als Dio schließlich starb, habe ich viele Tage gebraucht, bis ich es wirklich fassen konnte, und das obwohl ich es lange vorher wusste, obwohl Marguerida sie mir für noch einmal fünf Jahre zurückgegeben hatte. Es gab Zeiten, da verfluchte ich meine eigene Tochter dafür, denn auf diese Weise musste ich Dio zweimal verlieren. Dadurch hatte ich Zeit, mich darauf vorzubereiten – nur, ich tat nichts dergleichen! Ich glaube, irgendetwas in uns verleugnet den Tod. Wir reden uns ein, dass er sich irgendwie umgehen oder verschieben lässt, dass uns all diejenigen überleben, die wir lieben, damit wir den Verlust nicht erleiden oder uns vielleicht auch nicht eingestehen müssen, dass unsere Lieben sterblich sind. Als mein Vater auf Vainwal starb, war ich völlig fassungslos und wütend. Und so nahe, wie du Regis standest, ist es für dich wahrscheinlich fast so, als wäre dein Vater gestorben.« Mikhail hörte die Worte, aber sie schienen nicht in seinen Verstand zu dringen. Er fühlte nur eine
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