Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
Ich muss wirklich versuchen, logischer zu denken – in einer Sekunde fühle ich mich nackt in diesem Raum, und in der nächsten erwarte ich, dass diese komischen Leute meine Gedanken hören. Was dieser Mann neben Gisela wohl gerade sagt? Was es auch sei, sie sieht nicht sehr glücklich darüber aus – geschieht ihr recht, dieser Schlange! Sie hat uns absichtlich in Verlegenheit bringen wollen!
Domenic dachte wortlos über ihre Frage nach, als suchte er nach der besten Annäherung an das Thema. Zur Zeit wirkte er oft mürrisch, bevor er ohne Grund plötzlich beißende Bemerkungen von sich gab, die seine Eltern überraschten. Mikhail erinnerte sich an seine eigene Jugend und wusste, das war normal. Immerhin überlegte er, bevor er sprach, anders als Rhodri, der stets sofort sagte, was ihm in den Sinn kam, ohne an die Folgen zu denken. Mikhail liebte beide, aber er wusste, dass er Rhodri ein klein wenig bevorzugte, weil Domenic gar so undurchsichtig und distanziert war.
»Ich habe Großvater Lew zugehört. Und nachgedacht. Es scheint mir, die Terraner sind gesprungen, bevor sie geschaut haben.« Domenic runzelte die Stirn, bevor er fortfuhr. »Großvater sagt, seine Fehler kamen hauptsächlich davon, dass er handelte, bevor er überlegt hatte, was passieren könnte, und dass die Föderation genau das jetzt auch getan hat.« Er sah über den Tisch hinweg zu Lew, um festzustellen, ob er etwas Unglückliches gesagt hatte, aber Lew löffelte nur schweigend seine Suppe.
»Bist du nicht ein bisschen zu jung, um dir den Kopf über Politik und ihre Folgen zu zerbrechen?« Katherine wirkte belustigt und gleichzeitig aufrichtig interessiert. Sie fühlte sich eindeutig wohl in Gesellschaft des Jungen. Mikhail merkte, dass Domenic anfing, auf ihre Freundlichkeit anzusprechen, die übliche Zurückhaltung abzulegen und sich sogar zu amüsieren.
»Ich bin fünfzehn, und ich habe mein ganzes Leben lang über Politik nachgedacht, jedenfalls kommt es mir so vor.« Er schenkte Katherine ein bezauberndes Lächeln, was er selten tat, dann fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar, wobei er unbewusst seinen Vater imitierte. Domenics Haar war ein bisschen zu lang, es berührte den Kragen seines grünen Übergewands, weil er den Barbier hasste. »Sehen Sie, bei unseren langen Wintern, wenn der Schnee monatelang bis zu den Fensterbrettern reicht, sind wir alle begeisterte Intriganten hier. Fragen Sie nur gelegentlich Tante Gisela, dann bekommen Sie was zu hören.« Er warf der Angesprochenen über den Tisch hinweg einen Blick zu, in dem zu Mikhails Überraschung so etwas wie echte Bosheit lag.
»Tante?« Katherine schaute einen Moment lang verwirrt.
»Ja, natürlich. Weißt du was, dann sind wir ja auch verschwägert. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich habe eine Menge Schwestern, und Nichten und Neffen zuhauf, aber es ist mir nie so recht in den Sinn gekommen, dass ich auch auf Darkover unmittelbare Verwandte haben würde.« Sie wandte anmutig den Kopf und musterte Gisela von oben bis unten, wobei es ihr gelang, wortlos auszudrücken, dass ihre neue Schwägerin nichts als ein Mädchen vom Lande war und eine Art Dreingabe bei dem ganzen Handel. Mikhail tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, um sein breites Grinsen zu verbergen, während Gisela vor Wut kochte. Dann drehte sich Katherine wieder zu Mikhail um, und ihre dunklen Augen funkelten anziehend, als hätte sie eine Rechnung beglichen und wäre nun sehr zufrieden mit sich. »Ich glaube, Amaury und ich sind die einzigen Personen am Tisch, die nicht irgendwie mit Ihnen blutsverwandt sind, hab ich Recht?« Mikhail nickte. Sie war tatsächlich so gescheit, wie Lew angedeutet hatte. »Beinahe. Die ältere Frau neben Herm ist keine gebürtige Darkovanerin, sondern die Witwe von Margueridas musikalischem Mentor. Aber alle anderen sind Verwandte, das stimmt. Donal hier«, fuhr er fort und deutete über die Schulter, »ist sowohl mein Neffe als auch mein Friedensmann, und Alanna ist seine Schwester. Man kann behaupten, die meisten Versammlungen der Domänen sind Familientreffen, damit liegt man nicht weit daneben.« Das Thema schien keine Gefahren zu bergen, und er beschloss, es weiterzuverfolgen, damit Katherine nicht an ihre Ängste dachte. »Seit der Ankunft der Terraner vor mehr als einem Jahrhundert, gab es natürlich auch Ehen zwischen ihnen und uns. Lews Mutter Elaine, zum Beispiel, war eine Tochter von Mariel Aldaran und einem Terraner namens Wade Montray.
Lews erste Frau
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