Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
gegeben hatte, war überzeugt davon gewesen, sie sei ein Junge, aber dennoch war es eine ziemlich genaue Zeichnung ihres Gesichts. Auf der Liste mit den Anwesen, in die sie eingebrochen war, standen nicht die, in denen sie Kyn gefunden und befreit hatte, also hatten die heiligen Freaks definitiv etwas damit zu tun.
Sie konnte Gabriel genauso wenig sagen, dass sie von Interpol gesucht wurde, wie sie ihm von ihren Eltern erzählen konnte; er hätte alle Einzelheiten wissen wollen. Sie fragte sich auch, ob die gleichen Plakate überall in London hingen und wie sie sich fühlen würde, wenn er herausfand, dass sie eine Diebin war – und eine Lügnerin.
Er wird es nicht herausfinden. Er kann mich nicht sehen und die Plakate auch nicht .
Nick wusste, dass sie die Wahrheit vor Gabriel vielleicht verheimlichen konnte, weil er blind war, aber das würde ihr die Behörden nicht vom Hals halten. Die Polizisten konnten sie ziemlich gut sehen, und wenn Vater Claudio und die Männer aus dem Haus in Toulouse ihnen halfen, dann würden sie die Beschreibung auf dem Plakat bald von Junge in Mädchen ändern.
Als der Shuttle in Folkstone hielt und die Fahrzeuge rausgefahren wurden, gewann Nicks Nervosität die Oberhand. Sie war nicht sicher, ob sie das alles überhaupt konnte. »Wie lange, glaubst du, wird dieses Treffen mit deinem Freund in der Stadt dauern?«
»Höchstens eine Stunde.«
Es blieb ihr also nicht viel Zeit. »Kann er Kontakt zu deinen Freunden aufnehmen? Ich meine, zu denen, die Kyn sind?«
»Croft dient dem Suzerän von London. Er kann Kontakt zu jedem Kyn in der Welt herstellen.« Gabriel zog leicht an einer ihrer Haarsträhnen. »Warum fragst du?«
»War nur neugierig.« Sie sah einen Zollbeamten und zwei Polizeibeamte auf das Ende des Shuttles zukommen, angeführt von einem älteren Mann, der sich auf einen vertraut aussehenden Stock stützte. »Gabriel, wir schaffen es vielleicht nicht zu diesem Treffen.«
Seine Arme schlossen sich um sie. »Was ist los?«
»Vater Claudio ist hier. Sie überprüfen alle Shuttledecks.« Sie sah Claudio auf sie und Gabriel zeigen, und die beiden Polizeibeamten liefen schneller. »Scheiße; er hat uns gerade erkannt.« Sie wandte sich um, überprüfte, ob vor und hinter dem Motorrad genug Platz war, und trat dann den Ständer zurück. »Setz den Helm auf und halt dich gut fest.«
Das deutsche Paar auf der wunderschönen Triumph blickte sich um, als Nick den Motor anließ, und der Mann sah von Nick zu den sich nähernden Polizeibeamten und runzelte die Stirn. Seine Frau flüsterte ihm etwas ins Ohr, und er zwinkerte Nick zu, bevor er sein Motorrad vorrollen ließ. Die Triumph blockierte den Seiteneingang, ließ Nick jedoch genug Platz, um sie herum zu fahren.
Ganz egal, aus welchem Land sie kamen, im Notfall waren Motorradfahrer immer bereit, sich gegenseitig zu helfen.
»Was immer du tust«, schrie Nick über das Dröhnen des Motors zu Gabriel, »lass nicht los.«
Als sie die Handbremse löste und nach vorn schoss, erfüllte eine flatternde Wolke das Deck und ließ die Passagiere aufkreischen. Nick fuhr durch den Schwarm Motten, lenkte das Motorrad um die anderen Fahrzeuge vor ihr und wurde schneller, als sie aus der Tunnelstation schoss.
Gabriels Motten sorgten für genug Ablenkung, um sie unversehrt aus Folkstone zu bringen, aber Nick hielt erst an, als sie kilometerweit entfernt waren. Sie verließ die Straße, um ein paar Motten abzuschütteln, die immer noch an ihrem Shirt klebten, und um sicher zu sein, dass Gabriel nicht zu verstört über das war, was sie getan hatte.
»Wir sind in Sicherheit«, sagte sie, als sie ihm dabei half, den Helm abzusetzen. Das Sonnenlicht irritierte seine Augen, also gab sie ihm eine ihrer Ersatzsonnenbrillen. »Geht es dir gut?«
»Ich wünschte, ich hätte den alten Mann getötet«, murmelte er und strich mit einer Hand über ihren Kopf. »Das hätte uns viel Ärger erspart.«
»Wir sind entkommen. Was macht schon ein bisschen Ärger, hm?« Sie umarmte ihn, was zu einem Kuss wurde, der damit zu enden drohte, dass sie sich im Gras des Straßengrabens wälzten. »Wow. Spar dir das für später auf, und sag mir lieber, wie ich zu dem Laden von diesem Croft komme.«
Nick folgte Gabriels Wegbeschreibung in ein Geschäftsviertel von London und stand schließlich vor einem Antiquariat für seltene Bücher.
» Mr Pickard’s Warenhaus der Literatur «, las sie auf dem verzierten, weiß bemalten Schild über dem sauberen Schaufenster.
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