Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
der anderen Seite des Raumes und trat zu ihnen. Sie bewegte sich ohne einen Laut und reichte Locksley kommentarlos ein rotes Handtuch. Ihr ungewöhnlicher Duft, wie der von Gänsefingerkraut, erinnerte Michael immer an den gewürzten Cidre, den er oft und gerne während seines Menschenlebens getrunken hatte. Es war merkwürdig, dass das unnahbare, zurückhaltende Mädchen so glückliche Erinnerungen in ihm weckte. Sie war die unfreundlichste Kyn, der er jemals begegnet war.
»Ich weiß die Loyalität zu schätzen, aber ich brauche euch beide«, sagte Michael, während er beobachtete, wie Rob sich das Blut und den Schweiß von der Brust wischte. »Wenn ich nicht zurückkehre, wird Jaus mein Nachfolger.«
»Verrückt«, sagte Byrne.
»Mein großer Freund meint, falls Ihr nicht zurückkehrt«, sagte Rob. »Valentin ist ein guter Mann, aber er kann nicht lange Euren Platz einnehmen. Dieser John Keller ist nichts weiter als eine weitere Waffe in Richards Händen. Der Highlord kann ihn mit einem einzigen Flüstern um den Verstand bringen. Byrnes Seneschall hat sich darum gekümmert.«
Jayr blickte Locksley und ihren Meister kurz an, sagte jedoch nichts. Michael war während der letzten Tage der Vorbereitungen aufgefallen, dass sie nur sprach, wenn man sich direkt an sie wandte, und ihre Worte stets auf ein Minimum beschränkte. Viele Kyn zogen es vor, dass Frauen zu sehen, aber nicht zu hören waren, doch Michael hatte nicht gewusst, dass Byrne einer davon war.
»Der Highlord wird niemandem etwas tun außer mir«, sagte Michael. »Und er wird dazu nicht seine Stimme benutzen.«
»Richard macht, was er will.« Byrne betrachtete Michael einen Moment lang, und sein stoischer Gesichtsausdruck verdüsterte sich. »Mutter Gottes, jetzt verstehe ich. Ihr könnt ihn doch nicht wegen einer Frau zum Duell fordern wollen, Mann.«
»Er hat sich genommen, was mir gehört«, erklärte Michael schlicht. »Es ist mein Recht.«
Seine Worte ließen die beiden Suzeräne verstummen. Jayr trat in den Zirkel und hob Locksleys Schwerter auf, wischte sie ab und legte sie zurück in die Wandhalterungen.
Rob räusperte sich. »Allerdings würde ich den Menschen nicht mit nach Dundellan nehmen. Der Highlord hat den Befehl gegeben, ihn zu töten. Wie immer Euer Duell ausgeht, es ist unwahrscheinlich, dass der Mensch die Festung lebend verlassen wird. Lasst ihn hier, und wir kümmern uns um ihn.«
Michael dachte an John Kellers Entschlossenheit und an sein eigenes Versprechen, dass Alexandras Bruder ihm helfen durfte, sie zurückzuholen. Er brauchte einen Menschen, um das zu tun, was Kyn nicht konnten, und er war überzeugt davon, dass er Keller nur überreden konnte, nicht mitzukommen, wenn er ihn in Ketten legte. »Ich habe geschworen, ihn mitzunehmen, und wenn ich es nicht täte, würde er dennoch hinfahren. Mit uns zusammen hat er eine Chance.«
»Eine Chance, das Missfallen des mächtigsten Kyns zu erregen, den es gibt«, meinte Byrne mit offensichtlicher Verachtung. »Der, falls Ihr es vergessen habt, noch nie herausgefordert wurde. Wenn Ihr mich nicht dabeihaben wollt, Seigneur, dann nehmt wenigstens Lucan mit.«
Michael hatte darüber bereits nachgedacht. Richard konnte alles, was lebte, mit seiner Stimme töten, aber Lucan konnte das Gleiche mit seinen Berührungen tun.
Lucan war von Richard und den Kyn jahrelang missbraucht worden, bis das Töten ihn dazu gebracht hatte, seine Position als oberster Auftragskiller des Highlords aufzugeben. Michael hatte Lucan einen Jardin angeboten, um ihn davon abzuhalten, in Amerika für Unruhe zu sorgen.
Aber sein alter Feind hatte sich verändert. Jetzt war Lucan nicht länger allein, sondern hatte sich Samantha Brown, eine Menschenfrau, die durch Alexandras Blut zur Kyn geworden war, als Sygkenis genommen. Mit der Hilfe seiner Lebensgefährtin war er nun sehr erfolgreich als Suzerän.
Zweifellos hätte Michael Lucans verhaltene Dankbarkeit dazu nutzen können, ihn zu überreden, an seiner Seite zu kämpfen, aber Lucan wollte nicht mehr töten. Michael wusste außerdem, dass Lucan, falls er in Dundellan nicht siegte, vielleicht der einzige Kyn sein würde, dessen Talent stark genug war, um Richard aufzuhalten.
»Ich werde ihn nicht darum bitten«, sagte Michael. »Lucan hat es sich verdient, in Frieden zu leben.« Es sei denn, ich versage.
Jayr versteifte sich und zog ihren Dolch, während sie sich zur Tür umwandte. Eine Sekunde später öffnete die Tür sich, aber es war nicht Will, der
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