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Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Titel: Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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auch eine Wachsamkeit aus, die nicht zu dem oberflächlichen Eindruck ihres Aussehens und Verhaltens passte. Gabriel spürte, dass sie, wenn es sie wirklich gab, nicht unschuldig ins Nachtland gegangen war. Aus irgendeinem bestimmten Grund hatten ihre Pfade sich gekreuzt, einem Grund, der nichts mit ihm oder der Suche nach ihm zu tun hatte. Sie kam nie in seinen Traum, weil sie ihn suchte; das hatte er von Anfang an gespürt. Doch nach den ersten Begegnungen hatte sie ihn mit offensichtlicher Freude und Zuneigung begrüßt. Sie war vielleicht der einzige Trost, der ihm in dieser dunklen Welt noch blieb, aber für sie war er vielleicht nichts weiter als eine angenehme Fantasie.
    Er hatte versucht, mit ihr darüber zu sprechen. Hast du dich wieder verlaufen?
    Ich träume das nur.
    Ein merkwürdiges Geräusch schreckte Gabriel aus seinen Gedanken an sie auf. Er hob den Kopf und lauschte. Er wusste, dass es wahrscheinlich nur Claudio war, der ältere Mensch, den er gelegentlich roch. Gabriel kannte seinen Namen nur, weil Benait ihn ausgesprochen hatte, bevor er ging. Claudio war vielleicht als Wache zurückgelassen worden, um andere Menschen fernzuhalten und dafür zu sorgen, dass Gabriel nicht aus diesem Gefängnis, ihrem letzten, entkam. Der alte Mann kam nie in den Keller oder in die Nähe der schmalen Treppe, die hinunterführte.
    Das wird er niemals tun.
    Gabriels offene Wunden hatten aufgehört zu bluten, aber da er so lange kein Blut zu sich genommen hatte, wurde er immer schwächer. Seine Gegenwehr schwand von Stunde zu Stunde. Bald würde sein Talent ihn verlassen, und dann würde sein Körper anfangen, sich von sich selbst zu ernähren.
    Es gab Geschichten, die man sich unter den Seinen erzählte, von Kyn, die in Gefängnissen oder an anderen Orten festgehalten wurden, von denen sie nicht fliehen konnten. Sie waren viel stärker als Menschen, also dauerte es oft Jahre oder länger, bis sie starben. Wenn das Ende schließlich kam, hinterließen sie so vertrocknete Skelette, dass sie bei Berührung zu Staub zerfielen.
    Niemand sprach davon, wie qualvoll es war, zu Staub zu zerfallen, aber ein Teil von Gabriel wusste, dass es alles übertreffen würde, was die Brüder ihm angetan hatten.
    Noch bin ich kein Staub.
    Er hörte das Geräusch erneut, entfernt und gedämpft – ein hohes, mechanisches Geräusch –, und dann wurde es langsamer und hörte auf.
    Ein kleines Fahrzeug, nahm Gabriel an. Kein Auto; dafür war der Motor zu klein. Er wiederholte das Geräusch in seinem Kopf, bis er es zuordnen konnte: So klang ein Motorrad. Kein Fahrzeug war in die Nähe des Geländes gekommen, seit Benait gegangen war, und Claudio kam zu Fuß, deshalb hatte Gabriel angenommen, dass die Straßen um das Schloss selten benutzt wurden.
    Ein Tourist, der an der Straße eine Pause machte? Oder der sich das Gelände ansehen wollte?
    Die Minuten vergingen, und alles blieb still. Der Motor sprang nicht wieder an. Als Gabriel leise Schritte auf der Erde hörte, traute er seinen Ohren zuerst nicht. Aber der Neuankömmling ging tatsächlich sehr entschlossen, eilte fast auf ihn zu.
    Gabriel fragte sich, ob sein Verstand die Schritte vielleicht als eine neue Art der Selbstfolter erfand, bis altes Holz knarrte und sich die Temperatur der Luft, die in seine Kammer gelangte, etwas änderte. Das Geräusch von Schuhen mit harten Sohlen auf Stein über seinem Kopf bestätigte ihm, dass da oben wirklich ein Besucher war.
    Jemand hatte die Kapelle betreten. Nicht der alte Mann; die Schritte klangen zu schnell, zu leichtfüßig. Es war jemand anderes.
    Benait hatte die Kammer luftdicht verschließen wollen, aber lange Monate und andere Dinge hatten den Mörtel zwischen den Steinen gelöst. Gabriel atmete ein und füllte seine Lungen mit so viel Luft wie nötig, um jede Veränderung darin zu registrieren, bis er es schmeckte …
    Eine Frau.
    Gabriel war einmal der beste Jäger und Spurensucher unter den Kyn gewesen, keine der Gräueltaten der Brüder hatte seine Sinne beschädigt. Der Duft eines Menschen, genau wie der eines Tieres, sagte ihm eine Menge. Sie trug Leder und Baumwolle und war erst kürzlich durch nasses Moos und dunkle Erde gegangen. Parfüm überdeckte nicht den natürlichen Duft ihres Körpers, der wie kühles, reines Wasser aus einem Bach in seinen Kopf drang. Ihr Körper war jedoch nicht kalt. Ihr Vorbeigehen füllte die Luft mit strahlender menschlicher Wärme.
    Gabriels dents acérées , die er seit seiner Gefangennahme nicht

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