Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
den Wein brachte.
»Wie Ihr meint, Suzerän.« Eine große schwarzhaarige Frau kam herein, deren langes dunkelgraues Seidenkleid mit geheimnisvollen, mit Silberfäden aufgestickten Symbolen verziert war. Sie verbeugte sich nicht und knickste auch nicht, sondern starrte Michael mit ihren unbewegten dunklen Augen an. »Wie es scheint, müssen sich einige von uns dieses Geschenk erst noch verdienen.«
Byrnes Seneschall steckte den Dolch zurück in die Scheide.
»Cella.« Michael ging zu ihr und nahm ihre Hände in seine, während er sie auf beide Wangen küsste. »Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.«
»Ihr habt mich bis jetzt nie rufen lassen.« Marcella Evareaux blickte einen Augenblick lang an ihm vorbei auf Jayr, bevor sie unfroh lächelte. »Eure Sygkenis hat die Wunden meines Bruders mehrfach behandelt. Sie hat mir ihre Freundschaft angeboten, obwohl ich sie nicht wollte. Die Evareaux’ stehen in ihrer Schuld. Ich werde Euch dienen.«
Michael wusste, dass Alexandra mehrfach die Schrotkugelwunden von Marcellas Bruder Arnaud behandelt hatte. »Du weißt, dass sie dich darum nicht bitten würde.«
»Sie hat mich nicht gerufen. Sondern Ihr.« Marcellas Lächeln war plötzlich angespannt. »Ich werde Euch zur Seite stehen, Mylord, wenn ich die letzte Reserve sein darf.« Sie blickte erneut Jayr an, nickte den anderen Kyn zu und verließ in einer Wolke von elegantem Wisterien-Duft den Raum.
»Evareaux’ Schwester ist hübscher, als ich sie in Erinnerung hatte«, murmelte Rob. »Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit König Georges Rotröcke mit eingezogenem Schwanz in ihr Heimatland zurückgegangen sind. Warum verkehrt sie nicht unter den Kyn?«
»Das kann ich nicht sagen.« Michael fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Cella bleibt lieber für sich.«
»Das macht sie gut; ich dachte, sie wäre längst tot.« Byrne blickte seine Seneschallin an, die die Tür anstarrte. »Was ist, Jayr?«
Das Mädchen antwortete nicht sofort. »Nichts, Mylord.«
»Dann ist es beschlossen.« Michael streifte sich sein Hemd über. »Thierry und Jamys bleiben hier bei Jaus, um unsere Interessen zu schützen. Marcella wird mich begleiten und an meiner Seite kämpfen. Wir brechen in einer Stunde nach London auf.«
»Aye«, murmelte Byrne. »Möge Gott uns allen beistehen.«
Gabriels Traumfrau kam nicht zu ihm, und er hatte kein Verlangen danach, in der dünnen, quälenden Dunkelheit ohne sie zu sein. Er löste sich aus dem merkwürdigen Zustand, in dem die Darkyn Erholung fanden, der jedoch den menschlichen Schlaf nur nachahmte, und zwang seine trägen Sinne, das Gleiche zu tun. Benait mochte ihn in ewige Dunkelheit gesperrt haben, aber eine vertraute Lethargie in Gabriels Muskeln sagte ihm, dass die Sonne noch immer am Himmel brannte.
Werde ich die Sonne jemals wiedersehen?
Gabriel erinnerte sich, wie sie in den Träumen oft das Gesicht gehoben hatte, als wolle sie in der Sonne baden. Anders als er war sie ein Mensch, eine Kreatur des Lichts. Wenn es sie wirklich geben würde, dann wäre sie jetzt wach, würde arbeiten und denken und mit denen zusammen sein, die sie liebte. Zweifellos mochte sie all diese Dinge.
Er beneidete sie darum, um diese Fähigkeit, das wahre Licht der Welt zu genießen. Von allen einfachen Freuden des sterblichen Lebens vermisste er diese wachen Stunden, in denen er über die Felder geritten, durch den Garten seiner Mutter geschlendert und den Spuren eines Rehs durch das grün gefleckte Haus des Waldes gefolgt war.
Die Nacht war ein Dieb, stahl der Welt alle Farben, bis sie ein Spukhaus voller merkwürdiger Gestalten und Furcht einflößender Schatten war.
Denk an sie, an das Sonnenlicht. Wo sie in ihrer Pracht umhergeht.
Gabriel hätte sein sehnsüchtiges Bedauern für ihre wiederkehrende Anwesenheit in seinen Träumen verantwortlich gemacht, aber sein blasses Mädchen wirkte zu real, um eine Erfindung seines schlechten Gewissens und seiner Traurigkeit zu sein. Und er konnte sich auch nicht erinnern, jemals einer Frau wie ihr begegnet zu sein. Ihr Aussehen änderte sich manchmal – ihr lockiges Haar, hell wie das Mondlicht, fiel ihr in einer Nacht bis über die Schultern und kräuselte sich in der nächsten um ihre Ohren –, aber die Konturen ihres Gesichts und ihre Augen blieben immer dieselben.
Sie fühlte sich realer an als er selbst.
Andere Dinge ließen ihn an seinem Verstand zweifeln. Manchmal kam sie ihm sehr jung vor, mit der eigensinnigen Neugier eines Kindes, aber sie strahlte
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