Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
Sie still, Dr. Keller, und setzen Sie sich.« Richard sah zu, wie sein widerspenstiger Hausgast ihm gehorchte, dann befahl er den Männern: »Lasst mich jetzt mit ihr allein.«
Als sich seine Wachen zurückgezogen hatten, betrachtete Richard die Frau, die im Schneidersitz auf dem Teppich vor seinem Schreibtisch saß. Sie hätte sich auf einen der Stühle setzen sollen, nicht auf den Boden. Aber sein besonderes Talent – diese Stimme, die so mächtig war, dass sie einem anderen Wesen Freude bereiten, es kontrollieren, verstümmeln oder sogar töten konnte – beeinflusste Alexandra nicht immer so, wie es sollte. Sie hätte seine Anweisung ganz genau befolgen müssen, aber es gelang ihr immer öfter, sich auf minimale Weise gegen ihn aufzulehnen.
War sie, wie er vermutete, weder Mensch noch Darkyn, sondern etwas anderes? Etwas Neues?
Richard betrachtete seine Gefangene. Alexandra entsprach nicht seinem Schönheitsideal, aber er konnte verstehen, was sie so anziehend machte. Ihre unauffälligen Gesichtszüge und ihre zierliche Figur konnten den exotischen cremefarbenen Ton ihrer Haut, das Strahlen ihrer intelligenten braunen Augen und das gebändigte Feuer ihrer langen kastanienbraunen Locken nicht schmälern.
Obwohl sie ein echtes Biest war, strahlte Alexandra Keller Wärme und Leben aus wie das Licht eines Leuchtturms mitten in einem Wintersturm.
Selbst ihre Stimme hatte, obwohl sie meistens vor Sarkasmus und Verachtung triefte, einen sehr angenehmen Klang. Vielleicht war sie mit mehr als einem Talent gesegnet. Einem Talent, das nach seinen Recherchen sowohl bei den Kyn als auch bei Menschen wirkte.
So versucht er auch war und so gefährlich sie vielleicht werden mochte, er konnte eine solche Frau nicht vernichten. Nicht, wo sie vielleicht die Einzige war, die die Kyn vor der Ausrottung retten und ihm die Mittel an die Hand geben konnte, die Bruderschaft endlich zu besiegen.
»Diese Fluchtversuche sind genauso ärgerlich wie sinnlos«, sagte er zu ihr. »Meine Männer werden Ihnen nicht gestatten, Dundellan zu verlassen, es sei denn, ich wünsche es so. Verstehen Sie das, Dr. Keller?«
»Ich verstehe, dass Sie ein Wahnsinniger sind«, sagte sie ganz höflich. Die Katze war auf ihren Schoß gekrochen, und sie streichelte sie abwesend. »Sie können mich nicht ewig hier festhalten. Michael kommt mich holen. Sonst noch was?«
Richard erhob sich, bevor es sein unberechenbares Temperament tat, und humpelte hinüber zu dem Fenster mit den Vorhängen, von dem aus man in den Irrgarten blicken konnte. Perfekt getrimmte Weißdornhecken bildeten die lebendigen, zweieinhalb Meter hohen Wände des Labyrinths, das ein früherer Burgherr angelegt hatte, um zu seiner Belustigung Stallburschen und Küchenjungen hindurchzujagen. Obwohl die Sonne schon vor einer Stunde aufgegangen war, leuchtete der Himmel im Westen noch immer in einem tiefen Porzellanblau.
Michael würde kommen; da war Richard ganz sicher. Die Fluchtversuche der Amerikanerin machten das nur zu deutlich. Cyprien würde jedoch mit ihm verhandeln. Er konnte Dundellan nicht angreifen, und er würde nicht wagen, wegen einer Frau einen Bürgerkrieg unter den Kyn zu beginnen.
Dr. Keller aus Amerika zu entführen und nach Irland zu bringen war vielleicht nicht unbedingt Richards weiseste Entscheidung der vergangenen Monate gewesen. Sie war noch nicht lange Kyn und schien alles an ihnen zu hassen. Auf jeden Fall erkannte sie sein Herrschaftsrecht über sie nicht an. Doch er brauchte eine Antwort auf sein Dilemma, und die einzigen Alternativen, die ihm derzeit blieben, reichten nicht.
Diese Frau war eine moderne Frau, eine Medizinerin und eine erfahrene Chirurgin. Eine von nur drei Menschen, die in den letzten sechs Jahrhunderten die Verwandlung vom Menschen in einen Darkyn überlebt hatten, obwohl ihre Verwandlung mehr als ungewöhnlich gewesen war. Es blieb jedoch die Tatsache, dass sie jetzt zu seiner Art gehörte, und ob es ihr gefiel oder nicht, sie schuldete ihm völlige und dauerhafte Lehnstreue. Letztlich gehörte ihr Talent ihm, genau wie sie mit ihrem Blut, ihrem Körper und ihrer unsterblichen Seele.
Michael musste das akzeptieren. Und Alexandra auch.
»Ich bin Ihr König«, erklärte Richard ihr. »Sie sind meine Untertanin, und Sie werden meine Befehle befolgen.«
»Ich bin Amerikanerin. Wir haben keine Könige. Wir wählen Präsidenten. Ich habe Sie nicht gewählt.« Alexandra fuhr mit den Fingernägeln über den Rücken der schnurrenden Katze.
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