Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
Müll.
Und was das Töten anging: Lucan hatte niemals persönliche Vorteile daraus gezogen. Er war die einzige finale Autorität unter den Kyn gewesen. Er war im Grunde ihr einziger Polizist.
Der Föhn ging aus. »Du solltest besser nicht weinen«, sagte ihr Chris, »sonst ruinierst du die Wimperntusche.«
Sam blinzelte und blickte zum Fenster. Der Himmel draußen war jetzt dunkelviolett, die majestätische Farbe des Zwielichts. Sie stand auf. »Sind wir fertig?«
»Klamotten.« Chris drängte sie in Richtung Schlafzimmer.
An den Outfits, die das Mädchen für sie herausgesucht hatte, waren mehr Strapse und Metallringe als bei einer Zirkusvorführung, aber Sam zog es pflichtbewusst an und schloss alle Gürtel und Schnallen, bis Chris zurücktrat und nickte.
»Du bist fertig.« Sie deutete auf den hohen Standspiegel hinter Sam. »Ich präsentiere: Officer Gothic!«
Sam drehte sich um und keuchte auf. Im Spiegel stand eine schwarzhaarige Hexe in glänzendem schwarzem Leder und rotem Elastan. »Bin ich das?« Sie betrachtete ihr Gesicht, das eine schöne Maske hätte sein können. »Warum hast du mir Pailletten aufs Gesicht geklebt?«
»Das sind Glas-Bindi aus Indien, und sie sind noch sehr heiß. Fass sie nicht an. Beug dich vor.« Als sie es tat, schob ihr Chris eine Ansammlung von silbernen und schwarzen Halsketten über den Kopf. »Du solltest nicht lächeln und ein bisschen gequält aussehen.«
»Gequält.«
»Gothic ist so etwas wie die dunkle Seite des Lebens. Tod, Trauer, Schmerz, unerwiderte Liebe, die Leidenschaften des Herzens und Blut. Sieh her.« Chris legte ihren Handrücken gegen ihre Stirn und ließ sich seufzend und mit halb geschlossenen Augen in den nächsten Sessel fallen. »Bei den Gothics geht es darum, die dunklen Dinge zu akzeptieren, vor denen Leute wie du Angst haben. Wir trinken Absinth, schreiben wunderschöne Gedichte über Verlust und Schmerz und Angst und verwandeln uns in lebendige, atmende Kunst.«
»Mir jagt so schnell nichts Angst ein.« Sam betrachtete sie. »Und ich werde keinen Absinth trinken.«
Chris drehte ihre Hand um und legte sie über die Augen. »Nicht reden, okay? Das ruiniert die Fassade. Guck einfach leicht angepisst – ja, so. Perfekt.« Sie stand auf und griff nach ihrer Tasche, einem Viereck aus perlenbesetztem schwarzem Satin mit einem ebenfalls perlenbesetzten Lederriemen, den zusätzlich spitze Nieten zierten, und gab Sam einen Studentenausweis, in dem stand, dass ihr Name Shane Meredith und sie einundzwanzig Jahre alt war. »Ich habe dich so zurechtgemacht, dass du aussiehst wie sie. Denk dran, auf Shane zu hören.« Sie nahm sich ein schwarzes Kleid und ging ins Badezimmer. »Gib mir eine Minute, dann können wir gehen.«
»Du kommst nicht mit. Das ist zu gefährlich.«
Chris drehte sich um. »Entschuldigung? Ich glaube, ich habe Ihnen jetzt schon zweimal den Arsch gerettet, Officer. Und außerdem, wenn du mich nicht mitnimmst, dann folge ich dir. Du weißt schon. Wie Lassie auf Rettungsmission.« Sie bellte ein paarmal.
Sam hatte keine Zeit, sich zu streiten. »Wenn diese Sache schiefgeht, dann will ich, dass du dich da raushältst und gehst. Du darfst auf keinen Fall deine Sicherheit aufs Spiel setzen.«
»Wenn du dich von Handschellen, blonden Kerlen und allem fernhältst, was aus Glas ist«, erwiderte Chris. »Damit hast du nicht allzu viel Glück.«
Als sie hinaus in die Nacht gingen, blickte sich Sam auf dem fast vollen Parkplatz um, bevor sie zu ihrem Auto liefen. Niemand hielt sie auf, und als sie sich hinter das Steuer setzte, konzentrierte sie sich darauf, was sie sagen würde, wenn sie Lucan im Club traf.
Der blaue Sedan fuhr nicht sofort hinter Sams Auto her. Der Fahrer hatte es nicht eilig. Er wusste bereits, wohin sie unterwegs war.
Byrne trat aus dem Schatten, und der Saum seines Paletots wirbelte durch den leichten Nebel. Er zog den Schal zurück, der seinen Kopf bedeckte, und enthüllte blutrotes Haar, das ihm in Wellen über die Schultern fiel und von dem ein Teil zu einem dünnen, festen Zopf zusammengefasst war. Byrnes granatrote Mähne stand in einem scharfen Kontrast zu den rätselhaften geschwungenen Linien der dunkelblauen Tattoos in seinem Gesicht. Er bewegte sich mit der schnellen, leichten Kraft eines Mannes, der es gewohnt ist, zu Fuß auf Berge zu steigen.
»Seigneur.« Er verbeugte sich kurz und deutete auf das schlanke Mädchen neben ihm. »Mein Seneschall, Jayr.«
Als Jayr die Verbeugung ihres Meisters
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