Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
führte. Der Effekt, den Richards Stimme hatte, verflog nach ein paar Augenblicken wieder, aber als Michael die Treppe hinunterrannte, standen Philippe und Thierry wie gelähmt da, und Richard war verschwunden.
Er wartete bei seinem Seneschall, bis Philippe aus seinem Erstarrungszustand erwachte. »Der Highlord hat sie mitgenommen, Meister. Ich konnte ihn nicht aufhalten.«
John Keller trat zu ihnen. »Ich auch nicht. Was wird er mit meiner Schwester tun, Cyprien?«
Michael starrte auf eines der goldenen Banner, die von der Decke des Clubs hingen. »Er wird versuchen, sie dazu zu benutzen, ihn zu heilen.«
»Ihr blonder Freund meinte, er hätte die Hälfte seiner eigenen Diener getötet.«
John wandte sich mit geballten Fäusten an ihn. »Wird er das Gleiche mit Alexandra machen, wenn sie kein Heilmittel findet?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Michael. »Ich kann nicht mehr sagen, zu was er fähig ist.«
John dachte einen Moment lang nach. »Also gut. Wohin wird er sie bringen?«
Thierry antwortete für Michael. »Nach Irland. In sein höllisches Königreich.«
»Sie können nicht zulassen, dass sie bei ihm bleibt«, meinte John. »Was sollen wir jetzt machen?«
»Wir werden in die Hölle gehen.« Michael sah in die dunklen, grimmigen Augen von Alex’ Bruder und sah eine Entschlossenheit darin, die seiner eigenen entsprach. »Und wir holen sie zurück.«
Lucan lag neben der Frau, die er liebte. Es war jetzt sechs Tage her, und sie war noch immer weder lebendig noch tot, sondern befand sich in irgendeinem Fegefeuer dazwischen. Er hatte sie seit der Nacht des Konzertes keinen Augenblick allein gelassen.
Samantha bewegte sich nicht aus eigener Kraft. Sie wachte nie auf.
Cyprien war zu ihm gekommen, bevor er Florida verließ. Sie hatten viele Dinge geklärt, und obwohl sie niemals Freunde sein würden, waren die Tage ihrer Feindschaft vorbei.
»Ich glaube, Leigh muss für all die Verbrechen und Morde verantwortlich gewesen sein, von denen die Kyn glaubten, du hättest sie zum Vergnügen verübt«, erklärte ihm Cyprien.
Lucan hatte lange geglaubt, Cyprien habe ähnliche Verbrechen an ihm begangen. »Er war ein Opfer der Brüder.«
Michael hielt ihm die Hand hin. »Genau wie du.«
Jeden Tag wusch Lucan Samantha und bürstete ihr Haar und rieb ihre Haut mit einer seidigen Lotion ein, um die Blutzirkulation anzukurbeln. Er ließ sie nackt, doch er hüllte sie in das weichste Leinen.
Er sprach stundenlang mit ihr. Er erzählte ihr von Gwyneth und seiner Kindheit bei Hofe und wie es gewesen war, in so gefährlichen Zeiten zu leben. Wie stolz er gewesen war, dass man ihn auserwählt hatte, ein Tempelritter zu sein, und wie vernichtend die schreckliche Realität gewesen war, als Kriegerpriester zu leben. Er erzählte ihr, wie er im Sand uralter Wüsten das Kämpfen gelernt hatte und wie entsetzlich die Schlachten gewesen waren, die sie dort schlugen. Er erzählte ihr sogar von den Jahren, nachdem er als Kyn zurückgekehrt war, als er Richard Loyalität geschworen und seine Befehle ausgeführt hatte und wie ihm schließlich klar geworden war, dass er sein Leben nicht mehr damit verbringen wollte, das von anderen zu beenden, egal, was für Verbrechen sie begangen hatten. Und vor allem erzählte er ihr die Wahrheit über das, was er war und was er gewesen war.
Samantha reagierte nie, und nichts deutete darauf hin, dass sie ihn hören konnte.
Nachdem das letzte Blut von Alexandra aufgebraucht war, benutzte Lucan Kochsalzlösung, um sie nicht austrocknen zu lassen. Er hatte Angst, ihr irgendeine Form von menschlicher Nahrung zu geben, aber als sie immer dünner wurde, versuchte er es mit klaren Säften und Brühe. Sie erbrach sofort alles wieder, was er ihr einflößte. Sein eigenes Blut wagte er ihr nicht zu geben, aus Angst, dass es sie vergiften könnte.
Am siebten Tag stand Lucan vom Bett auf und trat an die dritten Fensterscheiben, die Burke hatte einbauen lassen. Alex’ Blut hatte die Wunde an ihrer Seite geheilt und sie am Leben erhalten, aber das war alles, und er wusste nicht und konnte auch nicht herausfinden, was sonst noch mit Samantha passierte. Es war gut möglich, dass das Blut sie langsam von innen vergiftete.
Es wurde Zeit, sie loszulassen und sie wieder in die Hände der Menschen zu legen.
Lucan hatte noch nie in seinem Leben geweint. Seine Mutter hatte ihn bei jedem Anzeichen für eine Träne brutal verprügelt, und während der Jahre im Heiligen Land hatten die Sonne, der Hass und der
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