Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
Enden umeinander, zog sie zu. An ihrem Ohr flüsterte er: »Jemas Diabetes verschwand, als sie ein Jahr alt war. Seitdem hat sie keine mehr.«
Während Meryl nach Luft rang und kämpfte, hielt Daniel das Tuch fest in der Hand und erzählte ihr alles, was sie über ihre Tochter nicht wusste. Dass James Shaw sie in seinem Tagebuch als Hommage von Athos bezeichnet hatte, weil sie in jener Höhle geboren worden war und weil sie der einzige wirkliche Schatz gewesen war, den er in seinem Leben gefunden hatte.
Der Gestank von Urin stieg auf, als sich Meryls Blase entleerte.
Daniel machte weiter, lockerte das Tuch nur ab und zu ein wenig, um Meryl atmen zu lassen, und drückte wieder zu, bevor sie es ein zweites Mal tat. Er beschrieb ihr, wie überrascht er gewesen war, als er die merkwürdigen Pathogene in Jemas Blut fand und dass sie nicht nur ihre Zuckerkrankheit geheilt, sondern angefangen hatten, das Kleinkind zu verändern. Wie schwer es gewesen war, die richtige Kombination von Mitteln zu finden, die sie weiterleben ließen und ihre bizarren Symptome unterdrückten.
Irgendwann während Daniels Beschreibung, wie er Jemas ersten Liebhaber verjagt und alle anderen bestochen hatte, die ihr zu nahe gekommen waren, starb Meryl.
Daniel blickte auf seine Arbeitgeberin hinunter. Ihr Oberkörper war nach vorn gesackt und hatte sich im Rollstuhl gedreht, und ihre Zunge hing ihr aus dem weit geöffneten Mund.
»Mach dir keine Sorgen, meine Liebe.« Er lächelte ihr in die herausquellenden Augen und das blutunterlaufene Gesicht, bevor er ihr einen Abschiedskuss auf ihr weißes Haar gab. »Ich passe gut auf unser kleines Mädchen auf. So, wie ich es schon immer getan habe.«
20
Alex taumelte durch die Kyn, unfähig, sich verständlich zu machen, jetzt sogar unfähig zu sprechen, weil sie von allen Seiten bombardiert wurde.
Die Knarre in meiner Tasche ist geladen, entsichert –
Kann es gar nicht abwarten, ein paar von den reichen Arschlöchern abzuknallen –
Raze wird es lieben –
Den Typen mit der roten Maske zuerst – ihn erschießen wir zuerst – Cyprien –
Ins Herz oder in den Kopf, Herz oder Kopf –
Da waren noch mehr Gedanken, Gedanken auf Französisch und Deutsch, die hinter den anderen erklangen, genauso wild und tödlich wie die der Killer, die auf Englisch dachten. Bilder von Schwertern und Kupferkugeln und vorgestelltem Töten.
Zu viele, um sie auszublenden. Zu laut und bösartig, um sie zu ertragen.
»Michael«, schrie Alex schrill, aber die Gäste unterhielten sich, und die Musik klang aus dem Ballsaal herüber, sodass ihre Stimme dagegen nicht ankam.
Alex hätte sich beinahe auf die Knie fallen lassen, doch starke, vertraute Arme fingen sie auf.
»Ich kenne Sie«, Thierry Durands goldene Augen funkelten hinter einer Dämonenlord-Maske. »Sie haben mir meine Beine zurückgegeben. Sie haben meine Füße kleiner gemacht. Jetzt werde ich in keine meiner Stiefel mehr passen.«
»Thierry.« Sie klammerte sich an ihn. Ein paar Meter entfernt sah sie, wie Valentin ruckartig den Kopf drehte und sie ansah. »Es sind ungefähr zehn Männer in diesem Raum, die jeden Moment anfangen werden, mit Kupferkugeln auf die Leute zu schießen …«
Der Moment stellte sich als der nächste heraus.
Schüsse erklangen, schnelle Explosionen, Metall pfiff, während es durch die Luft zischte. Kugeln trafen die Gäste aus allen Richtungen. Blut spritzte in weiten, tiefroten Schwaden an die weißen Wände.
» Au secours «, schrie Thierry. » Ayuda . Hilfe .«
Er schrie erneut um Hilfe, diesmal auf Englisch, bevor er Alex im nächstgelegenen Flur in Deckung zog und sie mit seinem größeren Körper schützte, bis sie dort waren. Er drückte sie einem Mann mit orangefarbenen Dreadlocks in die Arme, dessen Gesicht mit schwarzer Farbe beschmiert war.
Der Geruch von verbranntem Schießpulver und verwelkenden Blumen wurde beinahe unerträglich.
»Sie geben die Frauen weg?«, sagte der Mann, als er sie hinter sich zog. »Hey, John, die hier ist klasse. Kann ich noch drei haben?«
»Schnauze, Hurley. Sie ist meine Schwester.« John, der ein Priesterkostüm trug, legte die Arme um Alex. »Haben sie dich getroffen?«
Sie schüttelte den Kopf und hielt sich dann die Hände über die Ohren. Die Gedanken der Killer erhoben sich wie eine Flutwelle des Bösen, die ihr Bewusstsein zu überschwemmen drohte.
»Sie werden so lange weiterschießen, bis sie Michael gefunden und getötet haben«, sagte sie, stieß die Worte
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