Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
lieben.«
Jema sah durch das Zimmer und wusste, dass Meryl jeden Moment nah genug sein würde, um Jemas Spiegelbild im Spiegel zu sehen. Jema im Spiegel … Jema im Spiegel … Das Gespräch mit Luisa, das sie verdrängt hatte.
Das, an das ich nicht denken will . Plötzlich fiel Jema, die wie gelähmt und in Gedanken versunken dastand, alles wieder ein.
Roy sucht etwas für Ihre Mutter . Luisa war nach dem Ende ihrer Schicht in Jemas Büro gekommen. Wissen Sie, ob wir eine Ah-midge haben, Miz Jem?
Sie hatte gelächelt. Was ist eine Ah-midge?
Machen Sie keine Witze darüber , sagte Luisa, reckte das Kinn und ahmte die Haltung der Eventmanagerin nach, wenn sie wütend war. Ich geh zur Abendschule. Ich mach meinen Abschluss; danach geh ich aufs College. Sie werden schon sehen – dann red ich genauso klug wie Sie, und mein Baby wird das auch.
Ich weiß, dass du das tun wirst . Jema bewunderte Luisa und wie hart sie arbeitete, nicht nur, um sich selbst und das Baby durchzubringen, das sie erwartete, sondern um ihre Lebenssituation zu verbessern. Sie schwor sich, alles zu tun, was sie konnte, um dem Mädchen zu helfen.
Luisa hatte aus dem Büro geblickt und die Stirn gerunzelt. Vielleicht sucht Roy ja nach Ihnen, Miz Jem. Sehen Sie Ihr Namensschild da drüben im Spiegel?
Jema war aufgestanden, um es sich anzusehen. Das Schild an ihrer Bürotür, JEMA SHAW, war in dem Schaukastenspiegel zu sehen, der kurzfristig hier unten abgestellt worden war, und las sich WAHS AMEJ.
Sehen Sie? Jema rückwärts heißt Ah-midge. Keine Sorge, Miz Jema. Ich sag’s niemandem. Ich kann ein Geheimnis für mich behalten.
Luisa war gegangen und hatte über den Witz gekichert. Am nächsten Tag hatte ihre Mutter angerufen und ihr schluchzend erzählt, dass Luisa angegriffen worden war und schwerste Verbrennungen erlitten hatte und dass man nicht glaubte, dass sie die Nacht überleben würde.
Die Worte hämmerten in ihrem Kopf.
Jema. Ah-midge. Image. Hommage.
Meryl rollte am Spiegel vorbei und ging die Bücher auf einem weiteren Regal durch. Jema sah in den Spiegel, in dem sie nicht zu sehen war, und erstarrte. Das Gleiche war an jenem Abend passiert, im Museum, nachdem Luisa gegangen war. Als sie dagestanden und auf das Spiegelbild ihres Büroschildes gesehen hatte. Sie hatte an Meryl gedacht. Daran, dass ihre Mutter sie manchmal ansah, als wenn sie sich wünschte, Jema würde einfach verschwinden. Dann war es passiert, genau wie jetzt. Sie war durchsichtig geworden und dann unsichtbar.
Ihr Bild tauchte langsam im Spiegel wieder auf und verschwand dann wieder.
Im Museum war es nicht das erste Mal gewesen. Es hatte andere Zeiten gegeben, die sie vergessen hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Eine Stunde lang hatte sie im Museum in den Spiegel gestarrt, bis es ihr gelungen war, sich wieder sichtbar zu machen. Das hatte ihr eine solche Angst gemacht, dass sie sich weigerte, sich daran zu erinnern. Sie hasste Spiegel schon, seit sie ein Kind war, aber jetzt wusste sie, warum.
Jema starrte ihr Spiegelbild an. Wenn ich es kontrollieren könnte …
Daniel Bradford ging direkt an Jema vorbei, ohne sie zu sehen. »Ich frage mich, ob das etwas Besonderes ist.« Er öffnete eine Glasvitrine und holte ein langes, gefaltetes, sehr alt wirkendes Tuch heraus. »Sieh dir das an.« Er zeigte Meryl eine Seite des Tuches, auf dem ein christusähnliches Gesicht zu sehen war.
»Das ist eine billige Reproduktion des Mandylion«, fuhr diese ihn an. »Es soll eines der Leichentücher Christi gewesen sein – und es ist nichts weiter als religiöser Unsinn. Die Hommage muss etwas Griechisches sein. Etwas Älteres, vielleicht ein Krug oder eine geschnitzte Truhe.«
»Ich habe mich manchmal gefragt, ob Jema nicht die echte Hommage von Athos ist, die James aus Griechenland hergebracht hat«, sagte Daniel, und um seine Augen bildeten sich amüsierte Lachfältchen. »Schließlich hat er sie in der Höhle gefunden, wo du sie geboren hast. Er hat sie jedenfalls wie ein seltenes und unbezahlbares Objekt behandelt. Und er hat ihr sein gesamtes Vermögen hinterlassen und dir keinen einzigen Penny. Vielleicht sollte das sein kleiner Scherz sein.«
»Nur dir kann etwas so Dämliches einfallen, Daniel.«
»Irgendjemandem muss es doch einfallen.« Daniel drehte sich um und sah Jema direkt an. Er kam auf sie zu und zog ein Buch aus einem Regal, das nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war. Er sog Luft durch die Nase. »Es riecht, als würde Jaus seine
Weitere Kostenlose Bücher